EINE LIEBE – ein etwas anderer Liebesroman

Nat hat nicht damit gerechnet, dass der Vermieter ihr das Haus so dreckig und verwahrlost überlassen würde. Ihr Neuanfang beginnt nicht so, wie sie es sich vorgestellt hat. Sie sucht Stille und Muße in diesem kleinen spanischen Dorf, um in ihrem neuen Job als Übersetzerin für literarische Texte Fuß zu fassen. Ihr Vermieter ist wenig zuvorkommend und lässt sie mit ihren Problemen allein. Das kleine Dorf hat nur wenige Bewohner: Da ist der Althippie Piter, die Bar des Dicken, die eigentlich keine ist, und der „Deutsche“, der ebenso wenig einer ist.

Nat hat Mühe, das Haus nach ihren Vorstellungen und ihrem Stil einzurichten. Als es schließlich durchs Dach regnet, ist ihre Geduld am Ende. Doch der Vermieter stellt sich stur und rührt keinen Finger. Der Hund, den sie von ihm bekommen hat, ist traumatisiert und nicht geimpft und ihrer Arbeit an den Übersetzungen kann sie kaum noch nachkommen.

Bis eines Tages „der Deutsche“ vor ihrer Tür steht und ihr einen ungewöhnlichen Deal vorschlägt: Er bietet ihr an, das Dach zu reparieren, verlangt dafür aber eine sexuelle Gegenleistung. Nur für wenige Minuten möchte er ihr ganz nahe sein. Mehr verlangt er nicht.

Nach erstem Zögern willigt sie ein und plötzlich sieht sie den „Deutschen“, der Andrea heißt, mit anderen Augen. Er ist nun nicht mehr unsympathisch, sondern sie empfindet eine starke Anziehung für ihn. Als wenn er Gift verspritzt hätte, das sie in eine Obsession fallen lässt. Piter, der für sie mittlerweile zu einem zuverlässigen Nachbarn geworden ist, erzählt sie zunächst nichts. Dennoch weiß plötzlich das gesamte Dorf davon, dass sie sich mit Andrea trifft. Dann geschieht ein Unglück. Nats Hund fällt die kleine Tochter der Nachbarn an und zusehends gerät sie in die Rolle der gefährdeten Außenseiterin. Wird sie einen Weg aus dieser Situation finden?

Der Roman „Eine Liebe“ umfängt die Leser*innen von Beginn an mit einer düsteren Atmosphäre, die noch durch die nüchterne und prägnante Erzählsprache der Autorin Sara Mesa beflügelt wird. Vielleicht kein Liebesroman, aber eine fesselnde Geschichte über die Macht menschlicher Vorstellungskraft, verhaltensbestimmende Vorurteile und darüber, wie schnell moralische Grenzen überschritten werden. Eine ungewöhnliche unterhaltsame Lektüre.

Sara Mesa – Eine Liebe

Aus dem Spanischen von Peter Kultzen

Quartbuch. Verlag: Wagenbach

Sara Mesa
Sara Mesa, 1976 in Sevilla geboren, wo sie bis heute lebt, gehört zu den wichtigsten spanischen Autorinnen der Gegenwart. Sie hat mehrere preisgekrönte Romane, Erzählungsbände und Essays verfasst. Ihr Roman »Eine Liebe« war eine literarische Sensation in Spanien, wurde unter anderem von »El País« zum besten Buch des Jahres gekürt und 2021 mit dem Preis des unabhängigen Buchhandels ausgezeichnet

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Ingrid
Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen. Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.
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