Drei Geschichten versammeln sich im Roman „Wilde Theorien“. Die eine erzählt von einer Philosophiestudentin, der es gelingt, die Theorien ihres Professors teilweise zu widerlegen, mindesten aber vervollständigt zu haben. Kontakt zu ihm zu bekommen, ist für sie eher schwierig. Immer wenn sie kurz davor ist, ihm klaren Wein darüber einzuschenken, kommt etwas dazwischen.
Klug sind auch die beiden weiteren Protagonisten, die mit ihrer Geschichte den zweiten Handlungsstrang bilden. Beide sind aufgrund ihres wenig bezaubernden Äußeren Außenseiter. Aber weil sie es sind, werden sie zu Exemplaren und zum Spielball von Andy und Mara, die in der Subkultur von Buenos Aires eine Rolle spielen. Das überaus attraktive Paar will erleben, wie sich Sex mit hässlichen Menschen anfühlt. Wider Erwarten werden diese ungleichen Paare zu Freunden, die in die Internet-Welt eintauchen und miterleben, wie Hacker Google Earth zu überlisten versuchen. Sie wollen nicht machtlos zusehen, dass nur Google Macht über das Internet und die User haben.
Unterscheidet sich der Mensch vom Tier nur dadurch, dass Menschen strategische Methoden entwickeln konnten, um gegeneinander Krieg zu führen? Und zeigt sich das bereits in den archaischen Stammesriten der Naturvölker? Wobei die Angst, die Triebfeder und der Hass als Motiv des menschlichen Handelns gleichermaßen die Basis bilden. Ein niederländischer Anthropologe liefert mit seinem Feldforschungsprojekt viele Hinweise dafür, doch er lässt die Welt hinter sich und seine wissenschaftlichen Ergebnisse verschwinden. Schließlich sucht er Zuflucht im Urwald, um nie wieder gesehen zu werden.
„Wilde Theorien“ ist der Debüt-Roman der Autorin Pola Oloixarac, der erst jetzt in Deutschland nach ihrem bereits zweiten Roman KRYPTOZÄN erschienen ist. Raffiniert und klug beweist die Autorin, dass wissenschaftliche Theorien das Zeug haben, in einem Roman für dramatische, ironische und provokante Geschichten zu sorgen. Um den Roman zu verstehen, braucht es jedoch kein Diplom. Wer Freude an verrückter und intelligenter Auslegung und Deutung verschiedenster wissenschaftlicher Theorien hat, es liebt, über hackende Akteure zu lesen oder politische Seitenhiebe zu entlarven, der wird Spaß beim Lesen dieser Lektüre haben.
Pola Oloixarac – Wilde Theorien
Aus dem argentinischen Spanisch von Matthias Strobel
Quartbuch. 2021
256 Seiten. Klappenbroschur
ISBN 978-3-8031-3331-1
Verlag: Wagenbach