Für mich ist es das erste Mal, dass ich einen Roman von Sven Regener lese und dabei Frank Lehmann, dem Konzeptkünstler H.R. Ledigt, P. Immel, Chrissie und ihrer Mutter Kerstin und vielen anderen begegne. Und der Berliner Kiez Kreuzberg ist mir aus den 80-er Jahren auch nicht bekannt. Aber macht das was aus? Nein, denn im Roman „Glitterschnitter“ gibt es eine ganz neue Geschichte, in der Leser*innen überwältigt werden von Charlie, Ferdi und Raimund, die mit ihrem neuen Bandnamen Glitterschnitter endlich richtig gute Musik machen wollen. Ihr Instrumentarium besteht aus einer Bohrmaschine, einem Schlagzeug und einer Synthie, genau richtig, um auf die Wall City Noise zu kommen.
Der noch nicht wirklich berühmte Künstler H.R. Ledig und sein Agent in spe Wiemer, streiten sich noch um das richtige Kunstwerk. Wiemer will ein Ölbild, das H.R. endlich eine Nominierung einbringen soll. Doch der bezeichnet sich als Konzeptkünstler und hat mit Öl nichts am Hut.
Und dann muss H. R. erst einmal seine Ikea- Musterwohnung in seinem Zimmer einrichten. Frank will Milchkaffee aufschäumen und Chrissie helfen, in der Frühschicht mehr Umsatz zu machen. Die will, dass ihre Mutter endlich zurück nach Stuttgart geht, Helga ist schwanger und kommt mit einer großen Schwangerschaftsgruppe ins Café, das eigentlich eine Kneipe ist und in dem nun nicht mehr geraucht werden darf.
Irgendwie hängt alles zusammen, die Lokalitäten wie ArschArt-Galerie, die Intimfrisur und die dazugehörenden Charaktere. Sie alle tummeln sich im Westberlin der Achtzigerjahre, und eigentlich haben sie alle einen Plan, nur passt nicht alles zu- oder übereinander, wie im richtigen Leben halt. Es ist ein Wimmelbuch, in dem die Erzählperspektive zwischen den Personen ständig hin- und her wechselt – ein Satz bisweilen eine Seite belegt und philosophisch wird es auch immer wieder.
Zudem erfährt man, dass Österreicher, die in Berlin leben, das sehr gerne tun, aber die Deutschen eigentlich nicht mögen. Und dass Musik ein Konzept braucht, nur um es mit eigenwilligen Methoden wieder durchbrechen zu können.
Im neuen Roman „Glitterschnitter“ des Musikers, Schriftstellers und Drehbuchautors Sven Regener wird gewienert, berlinert und manchmal auch Hochdeutsch gesprochen, nachgedacht, gestritten und wieder versöhnt. Der Roman ist eine Reise in die Berliner Vergangenheit, nostalgisch, intensiv, tragisch, ein bisschen wahnsinnig und komisch. Auf jeden Fall amüsant und sehr unterhaltsam. Mir hat Glitterschnitter gefallen!
„Glitterschnitter“
Sven Regener
480 Seiten
Verlag: Galiani, Berlin
ISBN: 978-3-86971-234-5
Im Jahre 2001 veröffentlichte er seinen ersten Roman, Herr Lehmann, der sich gleich zu einem ziemlichen Bestseller entwickelte. Es folgten die Romane Neue Vahr Süd (2004), Angulus Durus (2006, mit Germar Grimsen), Der kleine Bruder (2008) und Magical Mystery oder die Rückkehr des Karl Schmidt (2013). Mit Andreas Dorau schrieb er dessen Biografie Ärger mit der Unsterblichkeit (2015), mit Leander Haußmann drehte er den Film Hai-Alarm am Müggelsee und schrieb er das Theaterstück Die Danksager / Bunter Abend, das am 27. April 2017 am Berliner Ensemble uraufgeführt wird. Außerdem veröffentlichte er gesammelte Blogs unter dem Titel Meine Jahre mit HamburgHeiner.
Alle seine Romane sind auch von ihm selbst gelesen als Hörbücher erschienen. Sven Regener lebt in Berlin, ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Quelle: www.svenregener.de/vita