Bei Kopje koffie, dem niederländischen Bücherpodcast, der uns über Literatur aus unseren Nachbarländern auf dem Laufenden halten will, ist aktuell die niederländische Autorin Jessica Durlacher zu Gast. Sie hat vor kurzem ihren sechsten Roman im Diogenes Verlag veröffentlicht und auf einer Lesereise in Deutschland vorgestellt. Katharina Borchardt traf sie in den Räumen der Literarischen Gesellschaft in Bielefeld, um bei einer Tasse Kaffee nicht nur über ihr neues Buch „Die Stimme“ zu reden, sondern auch über ihre deutschen Wurzeln und ihren jüdischen Vater, die Anregungen für ihren Romanstoff und die Arbeitsweisen in einem Schriftstellerhaushalt. Mit ihrem Mann Leon de Winter tausche sie sich regelmäßig am Telefon über ihre Arbeit aus, erzählt die Autorin, obwohl sie beide quasi Tür an Tür zuhause schreiben. Ebenso wie die Protagonisten Zelda und Bor hat das Paar in New York geheiratet und die Twin Towers kurz vor dem Attentat vom 11. September 2001 besucht. Auch die Freundschaft zu der ehemals aus Somalia geflüchteten Islam-Kritikerin Ayaan Hirsi Ali kommt zur Sprache, die nach der Ermordung des Regisseurs Theo van Gogh und eigenen Todesdrohungen von den Niederlanden in die USA emigrierte und Jessica Durlacher zu ihrem Roman inspirierte.
In „Die Stimme“ nimmt die niederländische Familie Wagschaal die Geflüchtete Amal zunächst als Nanny in ihr Haus auf. Neben der engen Beziehung zu den Kindern Pol und Sam wächst schnell ein freundschaftliches Verhältnis zu der Psychologin Zelda, die Amal für ihre heitere Art und ihr Sprachtalent bewundert, und ihrem Mann Bor, einem angesehenen Rechtsanwalt und politisch engagierten Autor. Bald treten Amals außergewöhnliche Gesangskünste zutage, die zu einer Einladung in eine Talentshow führen, wo Amal nach einem glanzvollen Auftritt vor laufender Kamera ihr Kopftuch abnimmt und sich kritisch über den Islam äußert. Dieser Akt der Befreiung hat dramatische Konsequenzen, nicht nur für die über Nacht berühmt gewordene Amal, sondern auch für die Familie Wagschaal, die sich plötzlich in einer Beschützerrolle wiederfindet und unerwarteten Bedrohungen ausgesetzt ist.
„Den unglaublich geschickt ausgelegten Fangnetzen dieses Textes kann man sich kaum entziehen. Es ist klar, dass hier keine Familiengeschichte ausgebreitet wird. Aber es ist auch kein Krimi. Es ist ein großer Roman über die Konflikte in unserer modernen Welt an einem Beispiel erzählt. Das Globale im Kleinen.“
(Annemarie Stoltenberg, NDR Kultur)
In der nächsten Episode wird David Van Reybrouck sein neues Buch „Revolusi. Indonesien und die Entstehung der modernen Welt“ (Suhrkamp) vorstellen. Hören Sie auch die anderen Folgen mit Arnon Grünberg, Judith Fanto, Charlotte Van den Broeck, Herman Koch, Marente de Moor, Tobi Lakmaker, Gerda Blees, Gerbrand Bakker, Stefan Hertmans oder Lize Spit!
Zu hören auf Spotify, Apple Podcasts, Google Podcasts, amazon music und deezer sowie auf www.letterenfonds.nl und www.kulturausflandern.de.