Wir wissen, dass wir nicht alleine auf diesem Planeten Erde beheimatet sind. Doch haben wir bisher den richtigen Blick und folgerichtiges Denken auf diese nicht-menschlichen Wesen gerichtet? Was wissen wir eigentlich wirklich über Tiere und Pflanzen, die die Erde mit uns teilen? Wer tiefer in diese Welt der Ökologie eintauchen möchte, muss beginnen, anders zu denken. Das beginnt schon mit der Anerkennung, dass wir nicht die einzigen intelligenten Wesen auf dem Planeten Erde sind. Es gibt vielmehr eine unfassbare Vielfalt von intelligenten Existenzformen. Sie alle besitzen ihre je eigenen Stärken, Kompetenzen und Eignungen, so der Autor James Bridle in seinem faszinierenden Buch.
Intelligente Wesen jenseits menschlicher Intelligenz
So haben Pflanzen ein Erinnerungsvermögen. Ein Experiment konnte das deutlich machen. Aufgenommene Geräusche von Raupen, die sich einer Pflanze nähern, erzeugen die gleiche chemische Abwehrreaktion bei der Pflanze, als wäre sie tatsächlich kurz davor, gefressen zu werden. Mimosen reagieren empfindlich auf Geräusche, sie rollen ihre Blätter ein, sobald sie gestört werden, doch nach mehrmaligen Versuchen wussten die Mimosen, dass sie ungefährlich waren und ignorierten sie.
Honigbienen sind die besten Navigatoren und orientieren sich an ihrem Geruchssinn, an der Sonne, am Muster des polarisierten Lichts am Himmel, an vertikalen Orientierungspunkten, die sich vom Panorama abheben, und möglicherweise am Magnetfeld der Erde. Außerdem sind sie kluge Lerner, die in der Lage sind, Assoziationen zwischen verschiedenen Erinnerungen zu erkennen, um Regeln zu verallgemeinern.
Ihren Weg nach Hause finden sie, indem sie sich an den vorherrschenden linearen Landschaftselementen orientieren, genau wie die ersten Piloten.
Bäume verfügen über Pilznetze, die ihre Wurzeln verbinden, über die sie Nährstoffe und Informationen zwischen Familien und Arten austauschen. Tintenfische und Kraken besitzen Neuronen verteilt über ihren Körper, die es ihnen ermöglicht, unabhängig von einem zentral gesteuerten Verstand zu handeln.
Pflanzen als Metallreservoirs?
„Hyperakkumulatoren“, so berichtet der Autor, sind Pflanzen, die die Fähigkeit entwickelt haben, in natürlich metallreichen, aber giftigen Böden zu gedeihen. Dazu ziehen sie das Metall aus dem Boden und speichern es in ihren Blättern und Stängeln. Wie jede andere Pflanze, nur angereichert mit Metallen, können sie so geerntet werden kann. Eine zukünftige Quelle für seltene Metalle wie Nickel, Zink, Aluminium, Kadmium und viele andere Metalle? Dann könnten sie eines Tages die zerstörerischen und umweltschädlichen Formen des Bergbaus verdrängen.
Der Autor berichtet zudem genauso umfassend von den Ursprüngen und Grenzen heutiger Computersysteme, von nicht-binären Maschinen und schaut auf die KI und die alternative Nutzung ihrer Potenziale.
Das Buch des Autors James Bridle ist in jeder Hinsicht eine Wucht: Es erweitertet den Horizont und lässt uns unsere Umwelt neu entdecken. Die Existenz von Intelligenz ist erkennbar auch an der Fähigkeit zu überleben, und das gelingt durch Anpassung. Eine ausbeuterische Intelligenz dagegen mit dem Ziel, Wachstum zu generieren, verzerrt die uns umgebende Wirklichkeit und führt zu Klimakrise und Artensterben. Nicht-menschliche intelligente Wesen zeigen uns, wie es geht. Sie zu akzeptieren, erhalten und schützen, von ihnen lernen und mit ihnen zusammenarbeiten versetzt in die Lage, unsere Gesellschaften zu verändern, um mit ihnen in eine florierende Gemeinschaft zu treten.
James Bridle – Die unfassbare Vielfalt des Seins
JENSEITS MENSCHLICHER INTELLIGENZ
978-3-406-79895-5
432 S., mit 46 Abbildungen
Verlag: C.H.Beck
James Bridle, Jahrgang 1980, ist Künstler und Autor von «New Dark Age», das 2020 bei C.H.Beck erschienen ist. Er hat Computer Science und Cognitive Science am University College London studiert und über Künstliche Intelligenz promoviert. Seine künstlerischen Arbeiten und Installationen wurden in Galerien und Museen weltweit ausgestellt. Seine Texte sind in «Wired», «Frieze», «The Atlantic», dem «Guardian» und «Observer» erschienen.