Die tunesische Regisseurin Kaouther Ben Hania studierte Film in Tunesien und Paris. Jetzt kommt ihr Film „Der Mann, der seine Haut verkaufte“ in die Kinos, der bei den Filmfestspielen von Venedig 2020 uraufgeführt wurde, den Preis für den besten Schauspieler gewann und Oscar-nominiert ist.
Im Mittelpunkt des Films steht Sam (Yahya Mahayni). Er liebt seine Freundin Abeer (DEA LIANE) sehr. Doch ihre Beziehung ist schwierig und eine Heirat scheint ausgeschlossen zu sein. Doch als sie ihm eine Liebeserklärung während einer Zugfahrt zuflüstert, ist er so hingerissen, dass er sein Glück sofort hinausposaunt. Mit dem Ergebnis, dass er kurzerhand ins Visier der politischen Polizei gerät.
Doch er kann fliehen und landet in Beirut. Vergessen kann er Abeer jedoch nicht, die inzwischen einen Diplomaten geheiratet hat, mit dem sie nun in Brüssel lebt. In Beirut besucht Sam gemeinsam mit einem Arbeitskollegen Vernissagen, um sich an den Büffets mit kostenlosem Essen zu versorgen. Bei einem dieser Besuche begegnet er dem international bekannten Maler Jeffrey Godefroi (Koen De Bouw) und dessen Managerin Soraya Waldy (Monica Bellucci).
Godefroi macht ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen kann. Es ist mit einer Fluchtmöglichkeit nach Europa verbunden. Dafür möchte der Künstler Sams Rücken als Leinwand nutzen, auf dem er sein Kunstwerk tätowieren kann. Bezeichnenderweise ein Schengen-Visum, mit dem Sam durch ganz Europa reisen kann.
Nun hat er den Status eines wertvollen Kunstwerks und mit ihm den Vorteil, nach Brüssel zu gelangen. Das ist, was er erreichen wollte. Dass er jedoch als lebendes Ausstellungsstück in Museen zur Verfügung stehen muss und an Sammler versteigert werden kann, blendet er zunächst aus. Und tatsächlich ist Sam nun erneut abhängig und kann nicht frei handeln.
Drama, Satire, Realität?
Ein menschlicher Rücken als Leinwand für Kunst, das hat es tatsächlich gegeben. Der belgische Konzeptkünstler Wim Delvoye tätowierte 2008 eine aufwendige Punk-Kreuzigungsszene auf den Rücken eines Zürcher Tattoo-Studio-Besitzers namens Tim Steiner. Er war gegen Bezahlung dazu bereit, sich mit seinem tätowierten Rücken in Galerien auszustellen und sich nach seinem Tod die tätowierte Haut operativ entfernen und ausstellen zu lassen.
Die Regisseurin bekam die Idee zum Film bereits 2012, als sie im Louvre eine Retrospektive des belgischen Künstlers Wim Delvoye sah und dessen Werk „Tim“ dort entdeckte. „Von diesem Moment an hat mich dieses einzigartige und grenzüberschreitende Bild nicht mehr losgelassen“, so Kaouther Ben Hania.
Der Film der Regisseurin lässt zwei Welten aufeinandertreffen, die normalerweise nichts miteinander gemeinsam haben: zeitgenössische Kunst und die traurige Realität syrischer Flüchtlinge. Im Film profitiert zwar durch eine glückliche Wendung der Flüchtling von der Kunstwelt. Und die große Liebe des Syrers Sam zu Abeer kommt zu einem guten Ende.
Doch davon unberührt zeigt der Film darüber hinaus, wie ungleich Freiheit und Gerechtigkeit auch in der Kunstwelt verteilt sind. Wenn der Kunstmarkt sich der Menschen bedienen kann und ein Kunstobjekt mehr zählt als die Liebe eines syrischen Flüchtlings.
Der Mann, der seine Haut verkaufte startet 24. Februar 2022 in den Kinos. eksystent Filmverleih
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