Henri Texier: Chance – CD-Tipp

Anders als viele Jazzmusiker, die schon mal gerne die Plattenfirma wechseln, ist der Kontrabassist Henri Texier seinem Label Bleu über die Jahre treu geblieben, wohl weil er hier seine künstlerische Phantasie und Vorstellungen vom Jazz ungehindert entfalten konnte. Der Veteran der französischen Jazzszene begann seine Karriere Anfang der 1960iger Jahre in den Pariser Jazzclubs, wo er u.a. mit Bud Powell, Johnny Griffin, Bill Coleman, Don Cherry und Martial Solal spielte.

Für sein aktuelles Album CHANCE hat sich der Franzose eine handverlesene Auswahl exzellenter Musiker ins Studio geholt, die ihn bereits auf seinem letzten hochgelobten Album „Skydancer“ aus dem Jahre 2016 unterstützten: seinen Sohn Sébastien Texier (Klarinette, Altklarinette und Altsaxophon), Vincent Lê Quang (Tenor- und Sopransaxophon), Manu Codja (Gitarre) und Gautier Garrigue (Schlagzeug).

Das Quintett präsentiert sich hier erneut in allerbester Spiellaune. Mit großem Engagement bieten die Musiker ehrlichen zeitgenössischen Jazz ohne viel Schnickschnack und faule Kompromisse, virtuos und impulsiv gespielt; im Ensemble stark, in den Solo-Einlagen packend. Die meisten der insgesamt acht Kompositionen stammen aus der Feder Henri Texiers, der mal mit kraftvollen, mal mit elegant-geschmeidigen Basslinien das Fundament der Stücke bildet, auf dem Alt- und Tenorsaxophone, Klarinette und Gitarre aufbauen, während Garrigues strukturiertes Schlagzeugspiel eine dichte Atmosphäre schafft, ohne jemals die Fäden aus der Hand zu verlieren.

Die introspektive, einfühlsam gespielte Ballade „Simone et Robert“ besticht mit einer bluesigen Klarinette und einem sentimentalen Tenorsaxophon. Der 2009 verstorbenen Tänzerin und Choreografin Pina Bausch hat Texier seine Komposition Titel „Pina B.“ gewidmet, die mit einem dynamischen Schlagzeug, einem enthusiastischen  Klarinettenspiel und einem vorwitzigen, in alle Richtungen tanzenden Bass die ausdrucksstarken Tanzfiguren der Choreografin treffend umsetzt. Mit dem nur knapp zwei Minuten dauernden Stück „Standing Horse“ unterstreicht Texier noch einmal, warum er zu Recht als einer der besten Kontrabassisten des europäischen Jazz gilt.

Doch auch seinen musikalischen Mitstreitern räumt der Franzose Raum ein. Mit jeweils einer eigenen Komposition beweisen sie sich als exzellente Solisten.  

Sébastien Texiers Stück „Cinecitta“ ist eine nostalgische Reminiszenz an das große italienische Kino der 60er und 70er Jahre, bei dem ein lyrischer, von Klarinette und Tenorsaxophon begleiteter Kontrabass das Thema setzt, bevor das kompakte Schlagzeugspiel und eine luftige, vorlaute Gitarre aus den somnambulen Träumereien wecken. Garrigues „Laniakea“ baut mit melancholischen Melodielinien eine traumhafte, rätselhafte Klangskulptur auf, während das Quintett auf „Jungle Jig“ von Codjas rockiger Gitarre und Garigues furiosem Schlagzeugspiel angetrieben fröhlich durch den Dschungel stampft. Wunderbar sentimentale Akzente setzen demgegenüber Quangs Saxophone auf der emotionsgeladenen Ballade „Le Même Fleuve“.

Mit CHANCE ist Altmeister Henri Texier erneut ein tolles Album gelungen, das noch einmal deutlich macht, warum der Kontrabassist auch über die Grenzen seines Landes hinaus ein hohes Ansehen genießt.  

HENRI TEXIER: „CHANCE“

Henri Texier – Kontrabass
Sébastien Texier – Altsaxophon und Klarinetten
Vincent Lê Quang – Tenor und Sopransaxophon
Manu Codjia – Gitarre
Gautier Garrigue – Schlagzeug

Chance von Henri Texier ist heute erschienen! Label: Bleu LBLC 6738 (LC 09743)

Standardbild
Hans Kaltwasser
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