Warum wir aufhören sollten, die Leute zu fragen „wo sie eigentlich her kommen“!

Hallo, mein Name ist Ruzbeh.

Oh, das klingt aber exotisch. Von wo kommt der Name her? Aus Norwegen, Du Schlaumeier.

Ich bin mir sicher, dass es kaum jemanden, der diese Zeilen liest, kalt lässt, was wir derzeit politisch auf der Welt beobachten. Ihr wisst schon, AfD und so. Auch bin ich mir sicher, dass die Leserin und ich eine gemeinsame Vision einer friedlichen Welt teilen, in der es egal ist, wer woherkommt.

Aber eben, die Frage „wo ich eigentlich herkomme“ oder „wo meine Eltern herkommen“ spaltet nach meinem Befinden jedes Mal einen Raum in zwei Lager. In Ausländer und in Inländer. Morgenland, Abendland, West, Ost, hell, dunkel.

Natürlich zielt diese Frage nicht darauf ab, sondern beruht auf der Neugierde des Gegenübers,  die ich auch sehr schätze. Was ich noch mehr schätzen würde: Wenn es nicht die erste Frage ist. Vielleicht erzähle ich ja selber im Verlauf des Gesprächs, das ich im Iran geboren bin, aber am Anfang des Smalltalks rede ich gerne über 1000 andere Sachen. Jedes Mal, wenn Du mich das fragst, denke ich mich rechtfertigen zu müssen. Ich erzähle halt meine Lebensgeschichte.

Zwei Kulturen, eine Heimat. Was ist das für 1 life?

Was viele nicht wissen: Wie schwer es für uns Ausländerkinder war, beim Heranwachsen unsere Zugehörigkeit zu finden. Kein Kind will alleine sein, sondern mit anderen Kindern spielen. Gleichzeitig wussten wir vom ersten Schultag an, dass wir „anders“ sind. Daher mussten wir – bewusst und unbewusst – unseren Platz in der Gesellschaft, in der wir aufgewachsen oder geboren wurden, schwer erarbeiten. Als wir damals nach Deutschland auswanderten, war ich sechs Jahre alt und an meinem ersten Schultag mit zwei elementaren Wörtern ausgestattet: Ja und Nein.

Mehr konnte ich nicht. Weil aber Kinder auf wundersame Weise Sprachen lernen, war ich der Sprache dann auch spätestens ab der 2. Klasse mächtig. Es hat definitiv geholfen, dass ich alle „Was ist Was“ und der „Der Kleine Vampir“ Bücher verschlungen habe.

Später auf dem Gymnasium ging es dann flott weiter. Wir lernten, wie die Demokratie entstanden ist, über den Faschismus, über die alten Philosophen und kamen als gut gebildete Menschen aus der Butze raus.

Trägt Deine Mutter ein Kopftuch?

Spätestens jetzt fühlte ich mich immer mehr als Deutscher. Und Iraner. Beides halt. Aber dann sitze ich in Vorstellungsgesprächen für Praktika und werde dann ernsthaft gefragt, ob meine Schwester und Mutter Kopftuch tragen. Als BWL-er war ich souverän und zugegeben opportunistisch genug, es emotional zu ignorieren. Ich dachte sogar, dass mein „Nein“ die richtige Antwort war und meine Chancen auf den Vertrag erhöhte. Alter, what the fuck?

Am schlimmsten war es dann im Job.  9/11 hat dafür gesorgt, dass in der öffentlichen Wahrnehmung alle Menschen aus dem Orient plötzlich gläubige Moslems sind.

Wenn ich beim Apero mein Vodka Soda in der einen Hand und ein Parmaschinkensandwich in der anderen Hand halte, gibt es immer jemanden, der mich fragt, ob ich Moslem bin. Weil ich ja gerade Alkohol trinke und Schweinefleisch esse. Am liebsten würde ich antworten: „Donnerstagabends und am Wochenende mache ich eine Ausnahme, aber sonst bin ich mega fromm“.

Andere Sprüche, die ich oft gehört habe und die witzig gemeint sind: „Ihr seid doch alles Terroristen“. Darauf antworte ich dann, dass ich letztens meinen Wohnblock terrorisiert habe, indem ich meine Box aufgedreht und die Bambule von den Absoluten Beginners auf voller Lautstärke spielte. Ich könnte auch antworten „Ihr vergast gerne Juden“. Aber eben…

Tun wir doch mal so…

Daher meine Bitte: Tun wir doch mal so, als ob es tatsächlich keine Rolle spiele, wo ich „eigentlich herkomme“. Stell Dir einfach vor, dass wir in einer Welt leben, in der es schwarze, braune, gelbe, olivfarbene Deutsche gibt. Wenn du dich mit mir unterhalten möchtest, dann geh nicht über meine Herkunft. Ausser Du kommst aus Köln und battelst mich als Düsseldorfer. Darüber können wir dann mal bei einem Alt sprechen.

Die beste Antwort, die wir den Nasen von der AfD und Tea Party geben können, ist wirklich alle gleich zu behandeln und es normal finden, dass ich als Ruzbeh genauso deutsch bin wie Alex eben auch.

Aber bitte fragt nicht mehr, woher mein Name kommt. Oder was es mit Sunniten und Schiiten auf sich hat und warum es Iran und nicht Persien heisst. Ich habe keine Ahnung. Ich habe mehr Ahnung von Pizza als vom Nahostkonflikt. Ich googel den shit auch selber.

Und wenn wir uns eingegrooved haben, habe ich Dir auch schon selbst erzählt, dass ich im Iran geboren wurde. Und dann sagst Du wahrscheinlich, dass Du schon immer mal da hinreisen möchtest. Und dann freue ich mich darüber und schicke Dir meine Iran Reisetipps.

In diesem Sinne: Peace out, Khoda Hafez und à la prochaine,

Ruz

Titelphoto: Arne Olav

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