Eine Wiedervereinigung der Eurythmics steht ganz oben auf der Wunschliste aller, die den Pop der 1980er-Jahre geliebt haben. Dass nichts daraus wurde, lag weniger an Duo-Mitgründer Dave Stewart, sondern an seiner Ex-Partnerin Annie Lennox, die sich vor Jahren aus dem Tourneegeschäft zurückgezogen hat. Dennoch können derzeit Fans des Duos die Eurythmics-Klassiker in voller Länge in Deutschland erleben, gespielt von Stewart und einer großartigen Live-Band, die am 15.11.2023 in der Düsseldorfer Mitsubishi Halle gastierte und ein beeindruckendes Konzert gab.
Zwar war Annie Lennox nicht an Stewarts Seite, aber der Mann aus dem nordostenglischen Sunderland hatte eine achtköpfige, ausschließlich aus hochkarätigen Musikerinnen bestehende Band dabei. Gesungen wurden die Eurythmics-Songs im Wechsel von der australischen Pop-Musikerin Vanessa Amorosi, der Soulsängerin RAHH und Stewarts Tochter Kaya. An den Keyboards saß die deutsche, mittlerweile in London lebende Songwriterin Hannah Koppenburg, die den Sprung vom heimischen Lörrach auf die große Bühne geschafft hat. Jasmine Ogilvie bereicherte mit fetzigen Klängen ihres Saxofons den Sound der Band. Für fiebriges Blues-Feeling sorgte die exzellente Mundharmonikaspielerin Indiara Sfair, während Julia Lamb an der Bassgitarre und Ellie East am Schlagzeug für die solide rhythmische Grundierung sorgten.
Erst zum zweiten Song kam Stewart auf die Bühne, nachdem seine Band das Konzert mit dem Titel „This City Never Sleeps“ vom zweiten Studioalbum Sweet Dreams eröffnet hatte. In seinem silbern schimmernden dreiteiligen Anzug, auf dem Kopf sein Markenzeichen, der Trilby, ein Filzhut mit schmaler Krempe, dessen rückwärtiger Teil leicht nach hinten geknickt ist, ließ sich der 71-jährige Musiker von einem Roadie mit diversen Gitarren versorgen und machte das, was er am besten kann: großartige Musik und eine gute Show. Dabei wanderte er über die Bühne, mal an der Seite seiner Saxofonistin, dann wieder mit einer der Sängerinnen.
„Annie und ich haben wahnsinnig viele Songs geschrieben“, sagte er und spielte an diesem Abend gut anderthalb Dutzend davon: nicht nur Allzeitklassiker wie „Sweet Dreams“, „Thorn in My Side“, „Here Comes the Rain Again“, sondern auch nachdenkliche Stücke wie „When the Day Goes Down“ und „I saved the World“.
Die Setlist umfasste eine sorgfältig austarierte Auswahl aus dem gesamten Katalog der Eurythmics, die das Publikum auf eine höchst unterhaltsame musikalische Reise durch die vier Jahrzehnte umspannende Karriere der Band mitnimmt. Laute Stücke wie „I love You Like a Ball and Chain“ standen neben sanften, ruhigen Songs wie „There Must Be An Angel (Playing With My Heart), das von Stewarts Tochter in einer wunderschönen Version gesungen wurde, während Tauben über die Videoleinwand hinter ihr flattern.
„Sie singt es, seit sie fünf Jahre war und auf Annies Schoß saß. Dieses Talent hat wohl auf Kaya abgefärbt. Klar, sie hat Sunderland im Blut“, sinnierte Stewart scherzend in Anspielung auf die große Musikaffinität der Einwohner seiner Heimatstadt.
Hut ab vor der gebürtigen brasilianischen Mundharmonikaspielerin Indiara Sfair, die auf ihrer Hohner etlichen Songs ein sattes Blues-Feeling verpasste und bei „Must Have Been An Angle“ mit einem großartigen Solo glänzte. Auch die australische Sängerin Vanessa Amorosi brillierte. Mit ihrem kraftvollen, ausdrucksstarken Soulgesang bei Titeln wie „Who’s That Girl“ begeisterte sie das Publikum. Die Soulsängerin RAHH überzeugte vor allem mit dem Titel „Missionary Man“ und ihren gefühlvollen Interpretationen der Songs „Here Comes the Rain Again“ und „Miracle of Love“. Viel Beifall bekam auch Jasmine Ogilvie, die am Saxofon je nach Song für fetzigen Soul oder die gefühlvolle Untermalung der eher ruhigen Titel sorgte.
Beim ansteckenden Song „Sweet Dreams (Are Made of This)“ im Finale waren schließlich alle auf den Beinen und sangen mit, während rot-weißes Konfetti auf die Menge in der Mitsubishi-Halle niederrieselte.
„It was alright wan‘ it“, nuschelte Edwards in seinem sanften Mackem-Dialekt, als sich die Band zum Abschluss verbeugte. Mehr als das. Das Düsseldorfer Publikum ist sich einig: Auch nach vierzig Jahren und ohne Annie Lennox hat die Musik der Eurythmics nichts von ihrer Faszination verloren.
Wir sind im Übrigen sicher, dass die oben erwähnte, stimmgewaltige Sängerin Vanessa Amorosi mit ihrem neuen Album „Memphis Love“, das morgen, am 17. November, über Stewart’s Plattenfirma „Bay Street Records“ erscheint, wieder die Chartspitze erklimmt, wie bei ihrem ersten großen Erfolg, den sie als Teenager in den späten 1990er-Jahren mit „Absolutely Everybody“ hatte.
Kraftvolle Songs mit eingängigen Licks wie der Titel „Wolf“, die ihre Stimme wunderbar unterstreichen, sind darauf zu hören. Anspieltipps:
Weitere Konzertdaten:
26.11.2023: Frankfurt am Main, Jahrhunderthalle
27.11.2023: Berlin, Tempodrom
Foto: © D.LIVE GmbH & Co. KG / Jörg Eicker
Verfasst von Hans und Ingrid