Tingvall Trio begeisterte auf den Leverkusener Jazztagen

Musik besitzt eine eigene Sprache und hat je nach Künstler ein anderes Vokabular. Dennoch braucht sie keine Übersetzung, um verstanden zu werden. Gestern Abend im Bayer-Erholungshaus in Leverkusen konnten wir uns im Rahmen der Leverkusener Jazztage beim Konzert des Tingvall Trios davon überzeugen. Mit ihrem neuen Album „Birds“ landete das Trio im Juli auf dem ersten Platz der Jazz-Charts.

Nachdem das Omer Klein Trio zuvor mit seinem Auftritt für Begeisterung beim Publikum gesorgt hatte, wuchs die Spannung auf das Konzert des Trios, das aus dem schwedischen Pianisten Martin Tingvall, dem kubanischen Bassisten Omar Rodriguez Calvo und dem deutschen Schlagzeuger Jürgen Spiegel besteht. Auch wenn man weiß, dass es 18.000, vielleicht sogar doppelt so viele Vogelarten gibt, die ein großes und spektakuläres Inspirationsfeld bieten, weil „sie uns tagtäglich mit Musik umgeben“ wie Martin Tingvall es beim Erscheinen des Albums „Birds“ ausdrückte.

Das Trio eröffnete dann auch mit dem Song „Woodpecker“, einer Komposition, die großartig die rhythmische Entschlossenheit des Vogels perfekt und fantasievoll in Musik übersetzte. Tingvalls Ostinato auf dem Klavier ahmte dabei das stetige, unerbittliche Hacken eines Spechts nach und erzeugte ein Muster, das tief im Innern des Zuhörers nachhallt.

Und immer wieder staunte das Publikum, wie die meisten Titel des Albums nicht nur routiniert und mit leidenschaftlicher Präzision wiedergegeben wurden, sondern quittierte auch die hörbaren, fantasievollen Improvisationen mit viel Applaus, weil sie immer wieder überraschende Musikmomente schufen.

Weitere Stücke des Albums wie das titelgebende „Birds“, „Humming Bird“ und „Air Guitar“, eine Hommage an Carlos Santana, folgten. Beim Stück „Africa“ agierte das Trio sehr rhythmisch und energisch. Tingvall sorgte auf dem Klavier für die optimistische, flirrende Atmosphäre des Songs. Dann gesellten sich Kontrabass und Schlagzeug hinzu, die den rhythmischen Gegenpol für das Klavier bildeten. Und mit seinen vielen Snare-Flams ließ Spiegel hierbei eine eigene signifikante Thematik entstehen, die den unerhörten Drive des Songs prägte. Besonders beeindruckend hierbei auch das Klaviersolo im späteren Teil des Stücks, das mit einer pfeilschnellen Sechszehntel-Kaskade startete und enorme Präzision, Akkuratesse und Energie erforderte. Das hat einfach große Klasse.

Calvon demonstrierte den ganzen Abend über seine unaufdringliche Meisterschaft am Kontrabass, dessen Saiten er virtuos zupfte, schlug oder wie in den Stücken „Birds“ und „Nighttime“ mit dem Bogen bearbeitete.

Mit dem Stück „SOS“ erinnerte das Trio an die Zerbrechlichkeit unseres Planeten, die mit der Dringlichkeit des Notrufs eines Vogels erklingt. Hier verschmelzen Spiegels wuchtiges Schlagzeug, Calvos flüsternder Bass und Tingvalls dramatisches Klavier zu einem eindringlichen Echo, das ein beeindruckendes Plädoyer für die Erhaltung der bedrohten Schöpfung liefert.

Ein großartiges Trio und ein wunderbarer Konzertabend.

Verfasst von Ingrid und Hans

Ingrid
Ingrid

Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen.
Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.

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