Wirklich improvisierte Gespräche mit zwei Klavieren sind ein schwieriges Unterfangen, da das enorme orchestrale Potenzial beider Instrumente zu Überlastungen führen kann. Auf dem Album DUO, das heute beim ACT-Label erschienen ist, sind zwei Musiker zu hören, denen dieser Drahtseilakt mühelos gelingt: Joachim Kühn und Michael Wollny. Beide haben ihren eigenen, individuellen Stil und sind grundverschieden. Beide sind Ausnahmemusiker, die sich in keine gängigen Genre-Schubladen einordnen lassen und immer wieder auf der Suche nach dem Ungehörten sind.
Beide gelten als herausragende Jazzstimmen ihrer jeweiligen Generation. Joachim Kühn (geb. 1944) ist längst eine Art „Elder Statesman“ des europäischen Jazz, der Free-Jazz, Jazz-Rock, Post-Bebop und Elemente der Klassik elegant zu seinem eigenen Ausdruck verbindet. Mit Michael Wollny (geb. 1978) trifft er auf einen musikalischen Wahlverwandten, mit dem ihn das Streben verbindet, sich immer wieder neu zu erfinden, sowohl in Bezug auf den Klang als auch auf die Komposition.
Es ist nicht das erste Mal, dass beide Musiker gemeinsam zu hören sind. Bereits im Oktober 2008 begann ihre Zusammenarbeit mit der Aufnahme des Albums „Piano Works IX: Live At Schloss Elmau“, was die Südwestpresse treffend als „Glücksfall für den Jazz und die neue Musik“ nannte. Das Album DUO ist der Mitschnitt eines Konzertes der beiden im Januar 2023 in der Alten Oper in Frankfurt und gibt den Auftritt in seinen wesentlichen Phasen wieder. Wie man den Liner Notes entnehmen kann, wurden die Aufnahmen nicht nachträglich bearbeitet, lediglich die Reihenfolge der Stücke wurde an einer Stelle verändert. Zwischenbeifall musste erst gar nicht herausgeschnitten werden, weil das hingebungsvolle Publikum erst eine Sekunde nach dem Schluss jeden Stücks applaudierte.
Insgesamt handelt es sich bei den sechs Stücken, die das Album umfasst, um ein rhapsodisches Zusammentreffen zweier exzellenter Virtuosen ohne die Solo-Einlagen beider Musiker, die auf dem Schloss Elmau- Album zu hören waren. Zwei Kompositionen stammen aus Wollnys Feder, drei Stücke trug Kühn bei. Der Titel „Somewhere“ ist ein Jazz-Klassiker, der von Ornette Coleman geschrieben wurde, mit dem Kühn schon einmal gemeinsam auf der Bühne stand.
Die Grundstimmung von DUO ist nachdenklich, nur hin und wieder gibt es stürmische, freie Passagen wie bei dem mitreißenden Stück „Aktiv“. Einige sind mit prächtigen Verzierungen ausgestattet wie die Wollny-Komposition „Vienna Pitch“, mit der das Album eröffnet. Der abschließende Titel ist eine Hommage an Joachim Kühns verstorbenen Bruder, den Klarinettisten Rolf Kühn, und ein Höhepunkt des Albums.
DUO ist ein höchst bemerkenswertes Werk und ein „Muss“ nicht nur für ausgesprochene Piano-Fans, sondern für alle, die zeitgenössischen Jazz lieben.