Birgit Minichmayr – As An Unperfect Actor – Shakespeares Sound

Liebeslieder sind Liebeslieder sind Liebeslieder, doch diese hier besitzen ganz besondere, sehr alte Textquellen. Vor mehr als 400 Jahre schuf sie kein Geringerer als William Shakespeare. Seine Sonetten erschienen kurz nachdem seine Dramen „Romeo und Julia“ und „Macbeth“ die Menschen gerührt und sich tief in deren Gedächtnis eingegraben hatten. Bis heute ist nicht klar, ob Shakespeare diese Liebesgedichte aus seiner Lebenswelt schöpfte oder reine Fiktionen waren.

Was wir wissen ist, sie sind so berührend und magisch, auch 412 Jahre danach. Nun wurde den Liebesgedichten ein Sound hinzugefügt, der ihre Faszination noch einmal mehr verstärkt. Die großartige Schauspielerin Birgit Minichmayr hat gemeinsam mit dem Pianisten und Komponisten Bernd Lhotzky neun der insgesamt 154 Sonette in Töne gegossen. Daraus ist das Album „As An Unperfect Actor“ entstanden, das musikalisch vom Ensemble Quadro Nuevo um den Saxofonisten Mulo Francel aufs Schönste begleitet wird. Ein Ensemble, das seit je her solche Abenteuer und Herausforderungen sucht.

The Sound of Shakespeare

Erstmals besingt Birgit Minichmayr ein vollständiges Album und betritt damit aufregendes Neuland. Als Schauspielerin steht ihr jedoch Shakespeare sehr nahe. Als Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters hat sie immer wieder die erschütternd dramatischen Lebenswege der Figuren des Dramatikers durchlebt, vor allem die dämonische Wut der Lady Macbeth, die Traurigkeit der Ophelia und sogar die unbequemen Wahrheiten des Narren in „König Lear“.

Frauen durften zu Shakespeares Zeiten keine Bühne betreten. Doch nun betritt Minichmayr sie, ohne viel Aufhebens zu machen. Ihre Stimme ist sehr präsent. Sie phrasiert je nach Farbe, Bedeutungsinhalt und begleitender Musik immer passend, ohne zu übertreiben.

Der Opener „My Mistress’ Eyes“ ist gleich eine grandiose Überraschung, denn das Stück kommt als leidenschaftlicher Tango mit argentinischem Bandoneon daher. Und Minichmayr betont mit ihrem Gesang, dass sie sich nicht davon verschlingen lässt, sondern die Führung übernimmt.

„Tired with all These“ – ein Sonett, das ganz unter dem Eindruck der Lebensmüdigkeit eines Menschen steht. Das Lied beginnt mit dem eindrucksvollen Saxofon von Francel und D.D. Lowkas Percussions, und das harmonische Zusammenspiel lässt zunächst nichts davon spüren. Erst wenn Minichmayr singt, wird klar, hier ist jemand des Lebens überdrüssig „Tired with all these, for restful death I cry, As to behold desert a beggar born,..“ und fleht um seinen Tod.

„When In Disgrace“ ist weich und melancholisch und macht das Thema der Verzweiflung und des Rückzugs aus der Welt deutlich, aber mit einer hoffnungsvollen und erlösenden Botschaft am Ende. Die Melodie ist eindringlich und das wunderbare Spiel auf der Klarinette erinnert an Klezmer. Birgit Minichmayr nimmt die Stimmung mit weicher und klarer Stimme auf.

„Let Me Not To The Marriage Of True Minds“ beeindruckt durch seine Leichtigkeit und Geläufigkeit, mit der aus dem Sonnett 116 ein Jazz-Chanson wird, so als wäre der Text eigens dafür geschrieben worden.

Die Vielfalt der Musikstile vom burlesken Tango zur langsamem Ballade, von Bebop zu coolem Jazz-Club-Swing, ist auch bei der Instrumentierung anzutreffen. Die unterschiedlichen Stimmungen, die durch die Texte vorgegeben sind, werden von der Band und Sängerin perfekt eingefangen. So werden die berührenden Liebesverse von Shakespeare in unsere Zeit transportiert und bringen sie wunderbar zum Klingen.

  1. My Mistress’ Eyes – Sonnet No. 130 ( Bernd Lhotzky / William Shakespeare)04:39
  2. When In Disgrace – Sonnet No. 29 ( Bernd Lhotzky / William Shakespeare)
  3. Tired With All These – Sonnet No. 66 ( Bernd Lhotzky / William Shakespeare)
  4. When Most I Wink – Sonnet No. 43 ( Bernd Lhotzky / William Shakespeare)
  5. Sin Of Self-Love – Sonnet No. 62 ( Bernd Lhotzky / William Shakespeare)
  6. As An Unperfect Actor – Sonnet No. 23 ( Bernd Lhotzky / William Shakespeare)
  7. Mine Eye Hath Played The Painter – Sonnet No. 24 ( Bernd Lhotzky / William Shakespeare)
  8. Let Me Not To The Marriage Of True Minds – Sonnet No. 116 ( Bernd Lhotzky / William Shakespeare)
  9. How Like A Winter – Sonnet No. 97 ( Bernd Lhotzky / William Shakespeare)

Besetzung
Birgit Minichmayr / vocals
Bernd Lhotzky / piano & musical director
Mulo Francel / tenor sax, clarinet, double-bass clarinet & sansula
Andreas Hinterseher / accordion, bandoneon, vibrandoneon
Philipp Schiepek / guitar
D.D. Lowka / double bass & percussion

VÖ: 28.05.2021 beim Label ACT

Foto: Sascha Kletzsch

Standardbild
Ingrid
Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen. Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.
Artikel: 3385

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.