Alles vergeht: Zum 20. Todestag von George Harrison

Heute vor 20 Jahren starb George Harrison im Alter von 58 Jahren in Los Angeles nach langjähriger Krebserkrankung. Er sei aus dem Leben gegangen, wie er gelebt habe, hieß es in einem Statement seiner Frau Olivia und seinem Sohn Dhani, im Bewusstsein, dass es Gott gebe, ohne Angst vor dem Tod und in Frieden, umgeben von Familie und Freunden.

George Harrison: „Mein wahres Ich ist etwas anderes.“

„Ich spiele ein bisschen Gitarre, schreibe ein paar Lieder, mache ein paar Filme, aber nichts davon bin ich wirklich“, sagte Ex-Beatle George Harrison einmal. Und: „Mein wahres Ich ist etwas anderes.“ George Harrison war vieles. Unter anderem ein Meister des Understatements und ein Charakter, der schwer zu fassen war. Er war einer der berühmtesten Männer der Welt, doch der Status des Superstars war ihm verhasst. Er predigte Frömmigkeit und einfache Vergnügungen, lebte aber in einem burgähnlichen Herrenhaus mit 120 Zimmern und sammelte Autos der Spitzenklasse, darunter einen Jaguar XKE, einen Ferrari 365 GTC und einen Aston Martin DB4. Hinter seiner fleißigen Fassade verbarg sich ein brillanter Sinn für schrägen Humor. Die Lieder, die er schrieb, handelten neben Höhen und Tiefen der Liebe vor allem von der Herrlichkeit Gottes, aber auch von den vielen kleinen Ärgernissen des Alltags. Obwohl er zweifellos stolz auf seine Band war, wollte er sich nicht an ihrem Erfolg messen lassen. „Die Beatles existieren unabhängig von mir“, sagte er einmal. „Ich bin nicht wirklich Beatle George. Beatle George ist wie ein Anzug oder ein Hemd, das ich einmal gelegentlich getragen habe, und bis zum Ende meines Lebens können die Leute dieses Hemd sehen und es mit mir verwechseln.“

Bescheidene Anfänge

George Harrison wurde am 25. November 1943 in Liverpool in bescheidenen Verhältnissen als jüngstes von vier Kindern eines Busfahrers geboren. Die Familie lebte in einer kleinen Sozialbauwohnung. Als einziger seiner Geschwister schaffte er den „Eleven-Plus“, jene gefürchtete Prüfung in Großbritannien, die über die Aufnahme in ein Gymnasium oder eine weiterführende Schule und damit über den sozialen Aufstieg entscheidet. Doch die Schule interessierte den 13-jährigen Teddy Boy mit Rockabilly Hairstyle und Röhrenjeans schon bald nicht mehr sonderlich, seit er vom Rock ‚n‘ Roll-Fieber infiziert war. Statt für die Schule zu büffeln, übte er stundenlang die Akkord- und Harmoniefolgen der Songs von Elvis Presley und Chuck Berry auf seiner Gitarre, bis seine Finger bluteten. 1957 verließ er die Schule ohne Abschluss und begann eine Lehre als Elektriker, die er wegen der beginnenden Karriere bei den Beatles nicht abschloss.  

Die Zeit bei den Beatles

Dass er der Jüngste war, hätte seine traumhafte Karriere als Mitglied der erfolgreichste Rockband aller Zeiten gleich zweimal fast verhindert. 1957, als er John Lennon über seinen Schulfreund Paul McCartney kennengelernt hatte und unbedingt in Lennons Band „The Quarrymen“ mitspielen wollte. Harrisons Gitarrentechnik beeindruckte Lennon, doch einen 14-jährigen wollte er nicht in seiner Gruppe haben. Es dauerte einige Zeit, bis Harrison, der anfangs als Ersatzmann mitspielen durfte, in die Band aufgenommen wurde. Dann 1961, als die in „Beatles“ umbenannte Gruppe in den Clubs auf der Reeperbahn sich rasch professionalisierte und der 17-jährige Harrison wegen Minderjährigkeit ausgewiesen wurde und das Ende der Band drohte.

Als die Beatlemania 1964 die USA erreichte, galt Harrison schnell als der „ruhige“ Beatle, der in den Pressekonferenzen anders als seine aufgekratzten Kollegen Fragen höchstens mal mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortete. Wenngleich seine Wortkargheit wohl damals eher einer schmerzhaften, fiebrigen Halsentzündung geschuldet war, enthielt das ihm von den US-Medien verpasste Image, das ihm zeit seines Lebens anhaftete, dennoch ein Körnchen Wahrheit. Die anderen mochten die Spannung, die Turbulenz und Hektik, die rund um die Band entstand, während Harrison damit zufrieden schien, einfach nur seine Gitarre zu spielen.

In den frühen Tagen der Beatles wirkte er dabei manchmal gequält und unglücklich, fühlte sich offensichtlich im Schatten der Alphatiere Lennon und McCartney, die sein Talent als Songschreiber nicht genügend würdigten. Und doch bereicherte er den Katalog des Quartetts um einige der schönsten Songs wie das Dylaneske „If I Needed Someone“, das transzendentale gestimmte „Within You and Without You“, das klagende „While My Guitar Gently Weeps“ und das überirdische „Something“, dem selbst Lennon seine Anerkennung nicht versagte.

Zudem trieb er im Laufe der Jahre die Band hinter den Kulissen in neue Richtungen, indem er Folkrock-Einflüsse einbrachte und Elemente aus der klassischen indischen Musik hinzufügte wie das Sitarspiel im Song „Norwegian Wood“. 

Solokarriere

Als die Beatles 1970 auseinandergingen, war es ausgerechnet Harrison, dem nach jahrelang ertragenen Kränkungen der vielversprechendste Start als Solist gelang. Sein sehr kommerziell erfolgreichstes Triple-Album „All Things Must Past“ enthielt ironischerweise Kompositionen, die in den Augen des Komponistenduos Lennon/McCartney keine Gnade gefunden hatten. Zudem gingen die Songs mit Themen wie Trauer, Tod, Vergänglichkeit über den damaligen Popkontext hinaus.

Musikgeschichte schrieb Harrison auch 1971, als er in New York im Madison Square Garden ein erfolgreiches Benefizkonzert für die notleidende Bevölkerung von Bangladesch organisierte und das viele prominente Musiker der damaligen Zeit wie Eric Clapton, Leon Russel und Bob Dylan zusammenbrachte. Es war das erste Event dieser Art und wurde später zum Vorbild für Veranstaltungen wie „Live Aid“.

Auch mit späteren Alben Harrisons wie „Living in the Material World“ (1973), „Dark Horse“ (1974), „Extra Texture“ (1975) und vor allem „Cloud Nine“ (1987), für das er Platin erhielt, war Harrison erfolgreich. Erfolge konnte er zudem auch als Mitbegründer der fröhlich schunkelnden Supergruppe Travelling Wilburys verbuchen, mit der er zwei Alben herausbrachte.

Rückschläge und die letzten Jahre

Doch nicht alles, was George Harrison anfasste, wurde zu Gold. Seine 58 Lebensjahre waren auch geprägt von zerbrochenen Beziehungen, Sorge um sein Privatleben und Kampf um sein Gesundheit. In den späten 1970-er Jahren finanzierte er Monty Pythons Filmkomödie „Das Leben des Brian“, nachdem sich EMI wegen des Vorwurfs der Blasphemie kurzfristig aus dem Projekt zurückgezogen hatte. Harrison nahm sogar hierfür eine Hypothek auf sein Anwesen auf. Seine anschließend gegründete Firma Handmade Films war eine Zeit lang Großbritanniens führender Filmproduzent. Doch nach einigen Misserfolgen und internen Streitigkeiten mit seinem Geschäftspartner musste das Unternehmen Konkurs anmelden. 

Die letzten Jahre lebte George Harrison zurückgezogen in seinem Herrenhaus Friar Park in Henley, wo sein 17 Hektar großer Garten zu seiner großen Leidenschaft wurde. Hier wurde er 1999 auch Opfer eines Messerattentats, das böse Erinnerungen an den Mord an seinen Freund und ehemaligen Bandkollegen John Lennon weckte. George Harrison war dank des beherzten Einsatzes seiner Frau und glücklicher Umstände dem Tod noch einmal von der Schüppe gesprungen. Zwei Jahre später sollte er den Kampf gegen den Krebs endgültig verlieren.

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Ingrid
Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen. Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.
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