Zwei Leben – Der FilmTipp

Katrine (Juliane Köhler) lebt ein glückliches Leben. Sie lebt mit dem Mann ihrer Träume zusammen und liebt ihre Familie über alles. Doch mit dem Fall der Mauer und der politischen Neuordnung Europas wird Katrine von ihrer Vergangenheit eingeholt: Als Tochter einer Norwegerin und eines deutschen Soldaten wurde sie als Kind von den Nazis nach Deutschland verschleppt. Dort wuchs sie in einem Kinderheim auf. Mit Mitte 20 floh Katrine aus der DDR nach Norwegen, um ihre leibliche Mutter Åse (Liv Ullmann) zu finden. Der junge deutsche Anwalt Sven Solbach (Ken Duken) will dieses schwerwiegende Verbrechen des Nazi-Regimes vor Gericht bringen und braucht dafür die Aussagen von Katrine und ihrer Mutter. Doch je mehr Katrine von ihrer Vergangenheit preisgibt, umso tiefer verstrickt sie sich in ein Netz aus Widersprüchen, Lügen und Verrat. Noch ahnt niemand, dass Katrine ein folgenreiches Geheimnis hütet. Wer ist sie wirklich?

Katrin Evensen (Juliane Köhler) fliegt von Norwegen nach Deutschland um ihre wahre Identität zu vertuschen.  Copyright: (c) 2012, Tom Trambow
Katrin Evensen (Juliane Köhler) fliegt von Norwegen nach Deutschland um ihre wahre Identität zu vertuschen.
Copyright: (c) 2012, Tom Trambow

Regisseur und Autor Georg Maas erzählt in ZWEI LEBEN von einer glücklichen Frau, die mit ihrer Familie ein scheinbar perfektes Leben in einem norwegischen Küstendorf lebt. Doch mit dem Fall der Mauer wird sie von ihrer geheimen Stasi-Vergangenheit eingeholt. Plötzlich ist alles anders und ihre gesamte Existenz ist bedroht. Um zu verhindern, dass ihr Geheimnis ans Licht kommt, muss sie gegen ihren Willen in ihre frühere Rolle zurückkehren. Juliane Köhler verkörpert mit ergreifender Intensität die Rolle der Katrine Evensen, deren falsche Identität längst zu ihrem geliebten Leben geworden ist. Die norwegische Schauspiellegende Liv Ullmann spielt ihre Mutter, die gleich zweimal um das Glück ihres Kindes betrogen wird.

Nach wahren Begebenheiten geht ZWEI LEBEN dem Schicksal einer Frau nach, die in der DDR aufwuchs und von der Stasi ausgebildet wurde. Der Film thematisiert anhand eines persönlichen Schicksals eine doppelte nationale Schuld und verbindet so die Geschichte zwei deutscher Diktaturen.Die Grenzen zwischen Täter und Opfer verschwimmen, die Figuren sind schuldig und unschuldig zugleich.

Am Ende steht die Frage, welche Wahrheit mehr Gewicht hat: der begangene Verrat und Betrug? Oder die Liebe und das gelebte Glück?

Mit ZWEI LEBEN ist Georg Maas ein gleichsam hochemotionales wie spannendes Drama über Liebe, Wahrheit und die Schatten der Vergangenheit gelungen.

 

Drehbuch & Regie: Georg Maas

 

Co-Autoren: Christoph Tölle, Ståle Stein Berg, Judith Kaufmann

mit Juliane Köhler, Liv Ullmann, Ken Duken, Sven Nordin, Rainer Bock u.v.a.

 

Kinostart: 19. September 2013

 

Der historische Hintergrund

Während der deutschen Besetzung Norwegens von 1940 – 1945 gab es zahllose Beziehungen zwischen deutschen Soldaten und norwegischen Frauen, aus denen Kinder hervorgegangen sind. Man schätzt deren Zahl auf etwa 11.000 Kinder. Der Rassenwahn und die Propaganda der Nazis unterstützten diese Beziehungen, deren Kinder als „von gutem nordischen Blut“, „hochwertig germanisch“ und „rassisch wertvoll“ galten. Im Rahmen des „Lebensborn“-Vereins der SS richteten die Nazis Kinderheime ein, um die norwegisch-deutschen Kriegskinder „zur Förderung des germanischen Erbgutes für das Deutschtum zu sichern“. Diese Zucht arischer Herrenmenschen im „Lebensborn“ war eine der makabersten Ausgeburten nationalsozialistischen Rassenwahns. Etwa 250 dieser deutsch-norwegischen Kriegskinder wurden zwischen 1943 und 45 von den Nazis nach Deutschland verschleppt. Die meisten davon wurden im SS-Kinderheim „Sonnenwiese“ in Sachsen untergebracht – und damit auf dem späteren Gebiet der DDR. Knapp zwei Jahrzehnte später schlug die DDR aus dieser Nazi-Hinterlassenschaft auf ausgesprochen zynische Weise Kapital, indem die Existenz der „Lebensborn“-Kinder ein zweites Mal verbogen wurde.

 

Für ihre Recherchen haben die Drehbuchautoren mehrere der nach 1945 nach Deutschland verschleppten Kriegskinder besucht. Die meisten haben weder ihre norwegische Mutter noch den deutschen Vater kennen gelernt. Die deutsch-norwegischen Kriegskinder wuchsen in den 50er Jahren teils in Pflegefamilien, teils in ostdeutschen Kinderheimen auf. Manche erfuhren durch ihre Papiere oder von ihren Pflegeeltern, dass sie eine norwegische Mutter hatten. Als einige von ihnen Mitte der 60er Jahre gerade volljährig geworden – versuchten, einen Ausreiseantrag zu stellen, um ihre norwegische Mutters zu suchen, wurden sie von den zuständigen Behörden der DDR massiv behindert. Dabei waren sie nach geltendem Völkerrecht norwegische Staatsbürger und damit zur Ausreise berechtigt. Vermutlich kam die Spionage-Abteilung der Stasi (HVA) durch diese Ausreise-Begehren auf die perfide Idee, „Lebensborn“- Kindern ihre Biografien zu rauben, um Stasi-Agenten im Westen zu platzieren – getarnt mit einer nahezu perfekten Legende.

Von Mitte der 60er Jahre bis in die 70er Jahre hinein schaffte man auf diese Weise ostdeutsche Agenten über Norwegen in den Westen. Der bekannteste Fall dieser Art ist der des Stasi-Agenten Hempel, der mit der Identität des deutsch-norwegischen Lebensborn Kindes Ludwig Bergmann bei dessen norwegischer Mutter in die Familie Bergmann in Haugesund südlich von Bergen als deren Sohn eingeschleust wurde.

Die Autoren des Drehbuchs haben Ludwig Bergmann besucht und mit seiner Familie in Norwegen gesprochen. Ludwig Bergmann wusste weder von seiner Mutter in Haugesund, noch dass er dort drei Halbgeschwister hat. Davon erfuhr er erst durch die Arbeit der Spiegel-Redakteure, die ihn, knapp 60-jährig, mit seinen Angehörigen in Norwegen zusammen brachten. Dort sah Ludwig Bergmann dann Familienfotos, die Anfang der 70er Jahre mit seinem falschen Alter Ego, dem Stasi-Agenten Hempel, gemacht worden waren: der Agent in der trauten Runde seiner (falschen) Verwandten. Nach dem Mauerfall wohnte Hempel wieder – gänzlich unbehelligt – in Sachsen. Nur wenige Kilometer entfernt von Ludwig Bergmann. Seit der Veröffentlichung seines Falls ist er allerdings untergetaucht..

Bildnachweis:

Copyright: (c) 2012, Tom Trambow

(c) 2012, Line Møllerhaug

 

Ingrid
Ingrid

Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen.
Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.

Artikel: 3602

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.