Rival Consoles: Neues Album Overflow

OVERFLOW, das neue, heute erschienene Album von Rival Consoles (eigentlich Ryan Lee West) ist anders als alles andere, was der britische Musiker, Komponist und DJ bislang herausgebracht hat. Die Musik ist gewaltig, laut, ausladend und theatralisch. Kein Wunder. Denn die Tracks wurden als Begleitmusik für die gleichnamige Tanzproduktion des Choreografen Alexander Whitley geschrieben. Inhaltlich geht es sowohl bei der Tanzperformance als auch der Musik um die Denaturierung die Lebenswelt im 21. Jahrhundert, in der soziale Medien, Werbung, Technikkonzerne und politische Gruppen die gewaltigen Datenmengen für ihre Zwecke nutzen, um ihren Reichtum und ihre Macht zu vermehren. Inspiriert wurde das Tanzstück von dem Buch „Psychopolitik: Neoliberalismus und die neuen Machttechniken“ des deutsch-schweizerischen Philosophen und Kulturkritikers Byung-Chul Han.

Gleich das zehnminütige Eröffnungsstück „Monster“ malt ein düsteres, unheilschwangeres Stimmungsbild. Nervös flatternde, echoartige Synthie-Impulse umspielen das Arrangement und werden von sporadisch, aber heftig knallenden Snares und einembedrohlichen pizzicato begleitet. Etwa im letzten Drittel setzten abrupt Orgelpfeifen ein, die dem ansonsten modernen Stück ein höllisches mittelalterliches Flair verleihen. Alles an diesem Song ist gewaltig und abweisend.

„Pulses of Information“, das das Musikmagazin Clash jüngst als „Dialog zwischen unseren verschiedenen Selbstbildern und der Innen- und Außenwelt feierte, ist ein düsterer, hartleibiger Trance-Song, der eine nervenzerreißende Spannung aufbaut.

Das titelgebende Stück „Overflow“ zerlegt wie bei einem umgekehrten Scrabble Wörter in Silben und ordnet sie als Perkussion neu, bis sie von den gewaltigeren Kräften der Beats und Akkorde verschluckt werden.

Der Track „I like“ ist ein zerhacktes, enervierendes  Vocal Sample, bei dem eine repetitiv-monotone Stimme über die gesamte Länge des Stücks die Phrasen „I like“, „It’s like“ und „They will like“ stottert und in unzählige Richtungen gleichzeitig widerzuhallen scheint. Gibt es in einem Zeitalter der sozialen Medien, in dem vor allem junge Menschen immer häufiger unterwegs sind und danach gieren, immer mehr „Gefällt mir“ Kommentaren zu erhalten, eine passendere Metapher für unser Leben und unsere Zeit. Das Stück hört sich zerstreut und fragmentiert an, genau wie wir.

Der Song „Scanning“ verstärkt mit seinem dumpfen, langsamen Beat das Innenleben eines iPhones, während der Nutzer in den sozialen Medien unterwegs ist. 

Und der Track „Tension in the Cloud“ setzt auf ein beunruhigendes Ambient-Gefühl, bei dem knorrige Basstöne einen frickelnden Effekt ergänzen, der entfernt an umgekehrtes Glockengeläut erinnert.

Das Erstaunliche an diesem Album ist, dass es wenngleich für die Bewegungen von Tänzern geschrieben, auch akustisch einen starken Eindruck hinterlässt. Im kommenden Jahr wird die Show auf Tournee gehen und so kann die gesamte Produktion wie geplant zu sehen und zu hören sein. So zum Beispiel in Aachen beim Schrittmacher Festival vom 11. bis 14. 03. 2022

Overflow, ist am 3. Dezember bei Erased Tapes erschienen

Standardbild
Hans Kaltwasser
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