Joe Jackson Presents: Max Champion What A Racket!

Joe Jackson gehört zu jener Art Musiker, die sich immer wieder neu erfindet und nicht darum schert, ob das neue Album popmarktkompatibel ist. Lange vor der Ethno-Welle experimentierte der schlaksige, schüchterne und im Ruf eines ein wenig verstockten Sonderlings stehende Brite mit afrikanischen und lateinamerikanischen Stilen. Stand sein grandioses Debütalbum „Look Sharp!“ (1978) noch ganz im Zeichen von Post-Punk und New Wave, verbeugte sich Jackson mit seinem Album „Night and Day“ vor Gershwin. Zwei Jahre später verschmolz er auf seinem Album „Body And Soul“ elegant Latino- und Jazz-Elemente. Keines seiner 20 Studioalben, jedes musikalisch außergewöhnlich vielfältig, klingt wie ein anderes. Der Wandel der Stile ist die Konstante im Schaffen des Musikers.

Auch mit seinem neuen Album JOE JACKSON PRESENTS MAX CHAMPION IN: WHAT A RACKET! schlägt der Brite lustvoll neue Volten. Diesmal hat er sich die Tradition der Music Hall vorgenommen, die Musik jener anrüchigen Unterhaltungsstätten des viktorianischen Englands, das wohlhabende und ärmere Gesellschaftsschichten gleichermaßen anzog wie das Licht die Motten. Einer der aufstrebenden Stars der Londoner Music Halls war um 1900 der junge Max Champion, über den nicht viel bekannt ist. Elf seiner Lieder hat Jackson in mühseliger Arbeit ausgegraben und jetzt mit einem 12-köpfigen Orchester neu arrangiert. Stücke wie das titelgebende „What A Racket!“ sind weit entfernt von Jacksons Songs wie „Is She Really Going Out With Him?“ und „Steppin‘ Out“. Am ehesten erinnert die prächtige Sammlung in ihrer berauschenden Wiederbelebung eines vergangenen Stils insgesamt an Jacksons großartige Album „Jumpin‘ Jive“ aus dem Jahre 1981, das mit dem Swing flirtete. 

Die Arrangements der Songs sind vielschichtig und zeichnen sich durch stampfende Drums, bedrohlich klingende Blechbläser, mitreißende Chorpassagen, stakkatoartige Streicher und nervöse Klavierakkorde aus, die die Melodramen des Viktorianischen Zeitalters treffend untermalen.    

Mit anrüchiger Stimme croont und krächzt sich Jackson kongenial durch elf Songs aus der Zeit um 1910. In den Texten geht es dabei um Lärmbelästigung („What A Racket!“), die Zeitlosigkeit von Sexskandalen („The Bishop And The Actress“), die Hölle, die für viele das morgendliche Erwachen ist („Never So Nice In The Morning“), einen leicht überspannten Malteser, dem seine Individualität unantastbar ist („Monty Mundy“), und der in einem spöttischen Tonfall vorgetragenen Klage eines Schauspielers über den unsäglichen Erwartungsdruck eines vergnügungssüchtigen Publikums („Think Of The Show!“).

Häufig unterminieren die komischen und sentimentalen Lieder die gängigen sozialen Erwartungen und kulturellen Werte. Der Song „The Sporting Life“ macht sich lustig über allzu Sportbegeisterte:

„Das Sportlerleben ist nichts für mich/Lieber wär‘ ich ein Esel oder ein Affe auf einem Baum/Ich werde die Straße fegen/Fleisch durch den Fleischwolf drehen/Mach, was du willst/ Aber zwing‘ mich nicht, nochmal gegen einen Ball zu treten!“, skandiert Jackson.

„Dear Old Mum“ ist die bitterböse Klage eines Sohnes über seine längst verstorbene irische Mutter, deren zehn kleinen Kinder („Paddies“) mitten im Lied einer nach dem anderen zu sterben beginnen, wo bei sie den Engländern die Schuld an ihrer Misere gibt.

Und das selbstironische „Shades of Night“ handelt von einem notgeilen Spanner, der nachts durch die erleuchteten Fenster der Nachbarn späht und dabei in flagranti seine Frau beim Sex mit einem anderen entdeckt.

WHAT A RACKET! Ist ein großartiges Album, mit dem Joe Jackson seinen Ruf eines ungewöhnlichen Musikers erneut unterstreicht.  Man darf gespannt auf die für 2024 angedachte Tournee sein, mit der der mittlerweile in Berlin lebende Musiker sein Album auf die Bühnen bringen will.    

Das Album „Mr. Joe Jackson presents: Max Champion in ‚What A Racket!'“ ist in verschiedenen Formaten erhältlich, darunter CD-Digipak, 1LP Black Vinyl, Download und Streaming.  https://maxchampion.lnk.to/albumPR

Standardbild
Hans Kaltwasser
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