Fast hat es den Anschein, als packe Declan McKenna die Dinge in der falschen Reihenfolge an. Seinen ersten Song „Brazil“, eine kritische Abrechnung mit der FIFA angesichts der Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2014 an das von sozialer Ungerechtigkeit geprägte Land, veröffentlichte McKenna bereits im zarten Alter von 15 Jahren auf SoundCloud. Zwei Auftritte beim renommierten Glastonbury Festival, die beide im britischen Fernsehen übertragen wurden, folgten. Gewinner des begehrten „Emerging Talent Competition“, jede Menge Lob von der Fachpresse und jetzt ausverkaufte Touren noch vor seinem Debütalbums WHAT DO YOU THINK ABOUT THE NEW CAR?, das am 21. Juli 2017 erschienen ist.
Man könnte meinen, dass der 18jährige Brite mit dem Milchbubi-Gesicht ein typischer Teenager-Shooting Star ist, so wie sie alle paar Jahre über Nacht am Himmel des Musikgeschäftes auftauchen und die Welt in Begeisterung versetzen, um dann schnell wieder zu verglühen. Doch diese Kategorisierung erweist sich ebenso vorschnell wie falsch, sobald man sich sein Debütalbum anhört, auf dem sich McKenna als versierter Singer/Songwriter offenbart, der es nicht verdient, in diese bequeme Schublade gesteckt zu werden. Denn der junge Musiker legt in seinen Songs seine innersten Gefühle offen über die Dinge, die ihn bewegen, mit einer erstaunlichen Subtilität und tiefen Weisheit, die man einem 18jährigen einfach nicht zutraut.
Den Song „The Kids Don’t Wanna Come Home“ schrieb McKenna kurz nach den Terroranschlägen im Bataclan in Paris im November 2015. Es ist seine persönliche Antwort an eine Jugend, die sich zunehmend vom politischen Diskurs und Entscheidungen ausgeschlossen fühlt, weil sie keine eigene Stimme hat und möglicherweise zu einer Gefahr für die Machteliten unserer Gesellschaften werden. Der Song ist voller Zorn, bietet jedoch auch Hoffnung auf eine bessere Welt jenseits ihrer dunklen und entsetzlichen Aktualitäten.
„Isombard“ handelt von Fremdenfeindlichkeit und brutaler Polizeigewalt gegenüber Schwarzen – ein brisantes, sehr schwieriges Thema, das McKenna wiederum mit viel Feingefühl und Takt anpackt. Die arpeggierenden Synthieklänge des Stücks haben viel Groove, die mit der eingängigen Zeile „If you can’t walk then run“, „Isombard“ zu einem Song mit wahren Ohrwurm-Qualitäten machen.
Im Song „Paracetamol“ setzt sich Declan McKenna kritisch mit der verlogenen Behandlung des Themas der Transsexualität in den Medien auseinander.
Und die herausragende wunderbare Ballade „Make Me Your Queen“, die ein wenig an die schönen, traurigen Songs von Morrissey erinnert, ist eine intime Klage über unerwiderte Liebe.
Doch auch die übrigen sieben Songs von WHAT DO YOU THINK ABOUT THE NEW CAR? sind einfach toll und zeigen ein großes musikalisches Talent, das schon jetzt neugierig auf das nächste Album macht.
Declan McKenna
What Do You Think About the Car?
VÖ: 21.Juli 2017
Label: Columbia Records
Vertrieb: Sony Music
Fotos: Sony Music