Gwilym Simcock: NEAR AND NOW

Der gebürtige Waliser Gwilym Simcock gehört derzeit wohl zu den gefragtesten Jazzpianisten. Bereits in jungen Jahren lernte er Klavier und Waldhorn und setzte seine musikalische Ausbildung später an den Musikkonservatorien in Manchester und London fort. In dieser Zeit entdeckte er auch den Jazz und entwickelte seine enormen Improvisationsfertigkeiten. Zu seinen prägenden Einflüssen gehören sein musikalischer Lehrer John Taylor, Keith Jarrett und Chick Correa ebenso wie die klassischen Komponisten Maurice Ravel, Igor Strawinsky und Mark-Anthony Turnage. 

Simcock spielte an der Seite von renommierten Jazzmusikern wie Pat Metheny und in zahlreichen Bands wie Lighthouse und Impossible Gentlemen. Seine virtuose Technik und sein feines Gespür für die musikalische Dramaturgie zeigt der Brite freilich immer dann, wenn er ohne Begleitung musiziert. Wie auf seinem Solodebütalbum „Good Days At Schloss Elmau“ aus dem Jahre 2011, das sogar für den britischen „Mercury Prize“ nominiert wurde, mit alljährlich das beste Album eines vergangenen Jahres ausgezeichnet wird. 

Mit seinem zweiten Soloalbum NEAR AND NOW, das soeben bei ACT erschienen ist, legt der Brite jetzt nach und zeigt erneut die ganze Bandbreite seines großen spielerischen und kompositorischen Könnens.  

Aufgenommen wurde das Album, mit dem der Musiker einen „ehrlichen und persönlichen Sound“ anstrebte, nicht etwa in einem Tonstudio, sondern in den eigenen vier Wänden seiner Altbauwohnung in Berlin. Ein Vorbild hierfür war Keith Jarretts „The Melody At Night, With You”, das Jarrett ebenso zuhause eingespielt hatte. Für sein Album schaffte sich Simcock sogar ein neues Klavier an, einen Steinway B aus dem Jahre 1900, den die Klangmanufaktur Hamburg nach den persönlichen Wünschen des Musikers stimmte und nachintonierte.

Jede der fünf Kompositionen von NEAR AND NOW ist einem anderen Vorbild des Pianisten gewidmet, darunter Keith Jarrett, Chick Corea und John Taylor. Das erste Stück, „Beautiful Is Our Moment“, eine dreiteilige Hommage an den US-Pianisten und Komponisten Billy Childs, ist die kompositorisch wohl ausgefeilteste Etude des Albums, die sich virtuos zwischen Klassik und Jazz hin- und herbewegt. 

Der dreiteilige Zyklus „Many Worlds Away“, mit dem das Album schließt, ist dem brasilianischen Multiinstrumentalisten Egberto Gismonti gewidmet. Dieser Zyklus ist weitgehend ein virtuoses Improvisationsstück, das ein atmosphärisch dichtes und vielschichtiges Klangbild aufbaut.

Zwischen beiden Zyklen stehen drei Kompositionen, von denen der Titel „You’re My You“, eine liebevolle poetische Verbeugung vor seinem ersten Jazzpianolehrer Les Chisnall ist.

„Er hat eine sehr warme und großzügige Herangehensweise an die Musik“, erinnert sich Simcock. Und: „Es ist eben dieser Geist, den ich vermitteln wollte.“  Das ist ihm trefflich gelungen. Wärme und Großzügigkeit versprüht das Album  NEAR AND NOW mit seinen melodisch fesselnden, vielschichtigen und wunderbar optimistischen Klängen  im Überfluss, den man immer wieder lauschen möchte.     

Gwylim Simcock: NEAR AND NOW

VÖ. Deutschland:26.04.2019

Label: ACT

Foto: © ACT / Gregor Hohenberg

Standardbild
Hans Kaltwasser
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