Der Mann, der nie krank war von Arnon Grünberg

Arnon Grünberg hat eine mit subtiler Symbolik entworfene Geschichte, spannend, abenteuerlich und virtuos erzählt - Der Mann, der nie krank war

Der junge Architekt Samarendra betreibt mit seinem Freund Dave ein kleines Architekturbüro in Zürich. Er wird beauftragt, in Irak eine Oper zu errichten und nicht irgendwo dort, sondern in der Hauptstadt Bagdad. Und nicht irgendwer, sondern ein Exil-Iraker ist der Auftraggeber. Den idealistischen Architekten, der seinen Beruf und die Lehrsätze seines Lehrmeisters sehr ernst nimmt – Architektur muss den Nutzer unbedingt mit im Blick haben – beschleichen kurz Zweifel, ob es für die Iraker jetzt lebenswichtig ist, eine Oper zu haben? Doch seine Antwort fällt zu eigenem Gunsten aus – Kultur ist wichtig. Und in Irak ist das Schlimmste vorbei, beruhigt er sich. Als Architekt ist Planen das A&O, sein Opernentwurf und auch die Reiseplanung in den Irak sind perfekt. Seine Freundin Nina begleitet ihn zum Flughafen.

Doch mit der Ankunft in Irak entwickelt sich vieles anders, an das Samarendra eisern festhält: Er, dem Hygiene überaus wichtig ist, findet in seinem Hotelzimmer ein schmutziges Bettlaken vor, das Badezimmer beherbergt kleine Eidechsen und zu allem Überfluss sind aus seinem extra von Nina mit einem Haarband gekennzeichneten Koffer seine gesamte Kleidung verschwunden. Stattdessen sieht er schmutzige Unterwäsche und nicht passende Hemden und Hosen.
Das Unfassbare erfährt Samarendra kurz danach, sein Auftraggeber ist tot. Zugleich mit dieser Tatsache verschwinden auch seine Sicherheitsleute und Samarendra macht sich auf den Weg, um in dieser Situation irgendeine Lösung zu finden, nur um schließlich in eine viel schlimmere, ja fast aussichtslose Lage zu geraten…

Selbst wenn die Bankkontensicherheit ins Wanken geraten ist, die Schweiz ist ein sicheres, komfortables Land und steht im krassen Gegensatz zum Krisengebiet des Iraks und anderer nahöstlicher Länder. Mit Kalkül hat der Autor den Protagonisten, der seine Ideale naiv und gutmütig mit sich herumträgt, in unsicheres Gelände geschickt und weicht dessen festgefügtes Weltbild auf.

Eine mit subtiler Symbolik entworfene Geschichte, spannend, abenteuerlich und virtuos erzählt, eine absurde Reise, auf der man dem Mann, der nie krank war ständig zurufen möchten, das ist nicht Web 2.0, sondern das wirkliche Leben, pass auf und vertrau nicht jedem – doch wahrscheinlich hätte das auch nichts genutzt!
Unbedingt lesenswert!

Der Mann, der nie krank war
Roman

Titel der Originalausgabe: De man zonder ziekte
Aus dem Niederländischen von Rainer Kersten
ISBN: 978-3-462-04660-1
240 Seiten, gebunden
Verlag: Kiepenheuer & Witch
VÖ: 14.08.2014

Arnon Grünberg

geboren 1971 in Amsterdam, wohnt, wenn er nicht gerade unterwegs ist, in New York. Seine Bücher wurden schon mit allen großen niederländischen Literaturpreisen ausgezeichnet, 2002 erhielt er den NRW-Literaturpreis für sein Gesamtwerk. Neben seinen literarischen Arbeiten schreibt Arnon Grünberg einen Blog, eine tägliche Kolumne für die Titelseite von De Volkskrant, er schreibt Theaterstücke und Reportagen und war mehrfach als embedded journalist im Irak und in Afghanistan. Für die Münchner Kammerspiele hat er gerade das Stück Hoppla, wir sterben! verfasst, das 2014 zur Uraufführung kommen wird. Sein Werk erscheint in 27 Sprachen.

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Ingrid
Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen. Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.
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