Die frühen Alben der Beatles wie „With the Beatles“ und „A Hard Day‘s Night“ sprühten geradezu vor ungezähmter Spielfreude, vermochten aber nicht annähernd die ungeheureren Energien zu vermitteln, die sich explosionsartig entluden, wo immer die Band auftrat. George Martin, der Produzent der Band, hatte deshalb ursprünglich die Absicht, das erste Album der Band im Cavern, dem Stammclub der Band im heimischen Liverpool, mitzuschneiden, um eben diese Manie einzufangen. Doch die muffige Akustik des gewölbeartigen Lokals machte diese Idee zunichte. Einwände der britischen Musikergewerkschaft wiederum vereitelten den Plan von Capitol Records, dem US-Label der Fab Four, zwei Konzerte aufzuzeichnen, die die Band in der New Yorker Carnegie Hall im Februar 1964 gab. Die Beatles selbst lehnten die Veröffentlichung von Aufnahmen ab, die Capitol Records bei ihren beiden Konzerten im August 1965 im Hollywood Bowl mit geschnitten hatten. So mussten Millionen Fans der Band in aller Welt jahrelang auf ein autorisiertes Livealbum warten.
Doch die Aufnahmen in der „Bowl“ entfalteten ein zähes Eigenleben. 1977 baten die Capitol-Bosse George Martin, sich die Bänder anzuhören und zu überarbeiten. Der machte daraus, trotz anfänglicher Bedenken, das Album „The Beatles at the Hollywood Bowl“, eine 13 Songs umfassende Zusammenstellung, die zwar die besten Aufnahmen aus den Konzerten der Band im August 1964 und 1965 enthielt, jedoch keine der beiden originalen Set Lists umfasste.
Eine neu abgemischte, erweiterte Version dieses Albums ist heute unter dem Titel „The Beatles: Live at the Hollywood Bowl“ erschienen, das von Giles Martin, dem Sohn des legendären Beatles-Produzenten betreut wurde und das den am 15. September in die Kinos kommenden Dokumentarfilm „Eight Days A Week – The Touring Years“ des renommierten britischen Dokumentarfilmer Ron Howard flankiert.
Erstaunlicherweise zeigte schon das Live-Album aus dem Jahre 1977 eine druckvolle, adrenalingesteuerte Performance der Band auf der Bühne, wenn man den Umstand berücksichtigt, dass es Monitore, mit denen die Musiker heute hören können, was und wie sie singen, in der Beatles-Ära noch nicht gab. Ohne Monitore ging aber der Gesang in dem elektronisch vielfach verstärkten Lärm unter, selbst ohne das ohrenbetäubende Gekreische der zumeist weiblichen Fans, das nicht selten die Pegelspitzen eines Jets erreichte. Dass die Beatles unter solch widrigen Umständen überhaupt singen, spielen und als harmonische Einheit mit beeindruckender Präzision agieren konnten, grenzt schon fast an ein Wunder, zeigt aber, welch hochklassige Musiker sie waren.
Klang das 1977 als LP und Kassette erschienene Album „The Beatles at the Hollywood Bowl“ für die Zeit schon recht ordentlich, punktet das von Giles Martin produzierte neue Opus im Vergleich zu der Version seines Vaters mit deutlich verbesserter akustischer Qualität. Kein Wunder. Denn Giles Martin konnte bei seiner Arbeit auf erst vor kurzem in den Archiven bei Capitol Records entdeckte, bislang nicht bekannte Aufnahmen zurückgreifen, die sorgfältiger als die Bänder produziert waren, die seinerzeit seinem Vater zur Verfügung standen. Hinzu kommen einige technologische Verbesserungen in der Studiotechnik wie z.B. Demixer, mit denen es möglich ist, Details der einzelnen Instrumente besser freizulegen. Neben den Stimmen, profitieren vor allem Ringo Starrs ständig unterbewertete Arbeit an den Drums, George Harrisons exzellente Gitarrenarbeit und eingängigen Soli, aber auch John Lennons treibende Rhythmusgitarre hiervon. Verglichen mit dem Vorgängeralbum glänzt die neue Version der Hollywood-Bowl-Konzerte mit strafferen, sauberen Bässen und einem klarer konturierten Klangbild.
Ein wenig schade ist indessen, dass Giles Martin vier weitere bislang unveröffentlichte Songs (unter ihnen eine exzellente Version von Harrisons „Everybody’s trying to be my Baby“ nicht in die Reihung der Titel seines Vaters integriert, sondern ans Ende angehängt hat – gerade so, als wären sie minderwertige musikalische Fußnoten oder Zugaben, etwas, was die Beatles nie gemacht haben. Dies tut der Gesamtqualität des prächtigen Albums, das die elektrisierte Atmosphäre der Beatles-Konzerte und ihre „Beatlemania“ wunderbar einfängt, freilich keinen Abbruch.
The Beatles
„Live At The Hollywood Bowl“
VÖ:09.09.2016
Label:Apple Records / Universal Music
Formate:CD, Digital Download, Stream
180g-Vinyl 8VÖ: 18.11.16)