Ist dies schon Jazz oder wohlmöglich doch noch Folk? Oder umgekehrt? Egal. Der norwegische Violinist und Komponist Nils Økland ist immer wieder für eine Überraschung gut. Noch vor wenigen Monaten hatte er mit Rockmusikern das psychedelisch angehauchte Album „Lumen Drones“ eingespielt. Mit seinem neuen Album „Kjølvatn“, das in einer Kirche in der Nähe von Lena in Norwegen aufgenommen wurde, lässt er es wieder ruhiger angehen und legt eine gelungene Melange vor, die irgendwo zwischen getragenem Folk und Kammerjazz liegt.
Nils Økland ist ein außergewöhnlicher Violinist, der Hardangerfiedel, Violine und Viola d’amore exzellent spielt und sich souverän zwischen Neofolk, Klassik, zeitgenössischer Musik, Jazz, Rock und raffinierten Improvisationen bewegt. Das Instrument, dessen Klang auf „Kjølvatn“ dominiert, ist die Hardanger-Fiedel, eine Art Kastenhalslaute mit acht oder neun Saiten, die vor allem in der Volksmusik im Süden Norwegens ihren festen Platz hat. Das Instrument hat eine flache Decke und besitzt neben vier Spielsaiten, die wie bei einer Violine gestrichen werden, noch weitere vier unter dem Griffbrett verlaufende Resonanzsaiten, die die Schwingungen der Spielsaiten verstärken und für einen schönen, eindringlichen echoähnlichen Klang sorgen, sofern sie von der richtigen Hand gespielt werden.
Die acht Kompositionen auf „Kjølvatn“ stammen überwiegend aus der Feder von Nils Økland, wobei der Norweger von exzellenten Mitspielern unterstützt wurde. Rolf-Erik Nylstrøm (Saxophon), Sigbjørn Apeland (Harmonium) Mats Eilertsens (Doppelbass) und Håkon Mørch Stene (Schlagwerk und Vibraphon) haben Anteil an den schnörkellosen und minimalistischen Arrangements des Albums. Die Musik auf „Kjølvatn“ ist schlicht, zerbrechlich und traurig, bisweilen auch gespenstig, dann wiederum kraftvoll und erdrückend. Øklands meisterhaft gespielten Saiteninstrumente werden subtil durch Harmonium, Doppelbass und Percussion begleitet. Dabei erweitert die Kombination von Vibraphon und Apelands sehr spezieller Ansatztechnik am Harmonium die Resonanzen der Saiteninstrumente und erzeugt dichte sphärische, sanfte, langgezogene und warme Klänge, die bisweilen dem Ambient Sound nicht unähnlich sind, sich freilich von diesem durch eine feinere Dynamik und nuancenreichere Abstufung und Entfaltung der Klangfarben abheben.Alle acht Stücke sind stark durchkomponiert und bieten wenig Raum für Improvisationen. Manche der dichten Legato-Akkordphrasierungen in „Mali“ haben einen beschwörenden Appell wie bei gesungenen Mantren. Das Stück „Drev“ wiederum ist strukturell reicher, beschwört eine feierliche totenklageähnliche Atmosphäre, die sich zu einem zunehmend sich öffnenden, appellativen klanglichen Gebilde aufbaut. Für alle, die klassische Musik oder norwegischen Folk noch lieber als Jazz hören, dürfte das Stück „Amstel“, bei dem Mats Eilertsens sich am Doppelbass mit einer unbeschwert fröhlichen Melodie freispielt, ein guter Einstieg in das exzellente Album der Nils Økland Band sein, das zudem durch hervorragenden Klang und gute Dynamik zusätzlich punktet.
Kjølvatn – Nils Økland Band
Album ECM
VÖ: 26.06.2015
Foto:©-Ellen-Ane-Eggen