Gerade hat das Londoner Auktionshaus Christie’s impressionistische Meisterwerke zum Preis von mehr als 100 Millionen Euro versteigert, darunter Claude Monets Bild „Iris Mauves“ und Pablo Picassos „Tete“.Der Kunstmarkt ist ein Milliardengeschäft geworden. Was ist Kunst und wer bestimmt, was als Kunst zu gelten hat? Wo bleibt der eigentliche Wert und Sinn der Kunst?
Der Roman „Die gleissende Welt“ der Schriftstellerin Siri Hustved kreist um dieses Thema, insbesondere aber um eine Frau, deren Leben selbst von der Kunst beeinflusst war. Harriet Burdon, von ihren Freunden auch Harry genannt – eine Frau, die schon in ihrer Kindheit durch ihre Ungewöhnlichkeit auffiel, weil sie ungewöhnlich groß, ungewöhnlich intelligent und wissbegierig war. Ihr Vater nannte sie Harry. Hatte er einen männlichen Nachkommen gewollt? Und auch Harriet dachte selbst oft, sie wäre besser ein Junge geworden.
Durch die Heirat mit dem Kunsthändler Felix Lord wird sie Teil der Kunstwelt, doch weitaus anders, als sie es will. Sie möchte als Künstlerin ernst genommen werden. Doch Harriet bleibt Anhängsel ihres Mannes.Ihre Installationen werden nur wahrgenommen, weil es den einflussreichen Felix Lord gibt.
Nach dessen plötzlichem Tod gerät sie zuerst in eine psychische Krise, doch dann reift in ihr eine Idee: Harriet will ein Täuschungsexperiment wagen, um den Kunstkritikern, Rezipienten – ja, der gesamten Kunstwelt einen Spiegel vorzuhalten. Lange schon hat sie sich mit Wahrnehmunspsychologie, philosophischen Fragen und der Husserl’schen Phänomenologie beschäftigt. Wer sind wir wirklich? Was passiert, wenn ein Kunstwerk wahrgenommen wird? Und welche Einflüsse, welches Wissen sind dabei relevant?
Masken verbergen die wahre Identität, und man bleibt dahinter verborgen. Ein Wechselspiel, das sich hervorragend eignet, um Harriet Burdens Experiment wahr werden zu lassen. Verborgen hinter drei Maskenmännern, will sie ihre Werke zeigen und verdeutlichen, dass Künstlerinnen in der Kunstwelt nur zweite Wahl sind, denn Männer dominieren sie. Und sie hat recht – Harriets Kunstwerke, angeblich das Werk des Künstlers Anton Tish, werden ein voller Erfolg. Zwei weitere sollen folgen, erst dann will sie sich als wahre Urheberin der Werke zu erkennen geben.
Wird die Kalkulation aufgehen und Harriet am Ende als gefeierte Künstlerin die Kunstwelt erobern?
Ein aufregender und ungewöhnlicher Roman, so real wie komplex, so klug wie spannend, ein literarisches Meisterwerk mit einer kreativen und exzentrischen, liebenswerten und sensiblen, mutigen und ungewöhnlichen Heldin. Unbedingt empfehlenswert!
Die gleissende Welt
Siri Hustvedt
Roman
ISBN 978-3-498-03024-7
Verlag: Rowohlt
Siri Hustvedt, geboren in Northfield, Minnesota, studierte Literatur an der New Yorker Columbia University und promovierte mit einer Arbeit über Charles Dickens. Sie lehrt an der psychiatrischen Abteilung des Weill Medical College in Cornell und lebt in Brooklyn. Bislang hat sie sechs Romane publiziert, mit Was ich liebte hatte sie ihren Durchbruch. Zugleich ist sie eine profilierte Essayistin. Bei Rowohlt liegen von ihr die Essaybände „Leben, Denken, Schauen“, „Nicht hier, nicht dort“ und „Being a Man“ vor. Zuletzt erschienen die internationalen Bestseller „Die zitternde Frau“ und „Der Sommer ohne Männer“.