Wer seinen Finger am Puls der Indie-Szene hatte, kennt die US-Singer-Songwriterin Alexandra Savior möglicherweise schon eine ganze Weile. Immerhin hatte die 22jährige Musikerin aus Portland im US-Bundesstaat Oregon, lange bevor ihr Debütalbum BELLADONNA OF SADNESS offiziell angekündigt wurde, bereits ein paar Singles veröffentlicht und sich hierdurch eine kleine, aber unerschütterlich treue Fangemeinde erworben. Und wenn man sich die frühen Songs wie “Shades” und “M.T.M.E.” anhört, weiß man auch warum. Das sind eingängige, clever produzierte Songs, die einem ins Ohr gehen und immer wieder gehört werden wollen. Erfreulicherweise hält BELLADONNA OF SADNESS dieses Niveau, ja toppt es gar mit einzelnen Songs.
Beim Hören des gesamten Albums drängt sich einem unwillkürlich der Vergleich mit der glamourösen, melancholischen Lana Del Rey auf. Beiden Musikerinnen gemeinsam ist die dunkle sinnliche Stimme und der gelegentliche Hang zur Tragik in den Songs, in denen sie Themen wie Angst und Verlust im Retro-Sound des dekadenten Jazz-Pop der 60ziger Jahre explorieren.
Dezent treibende Perkussion, schummerige Orgelklänge, sparsame Xylofon-Tupfer hier und da sowie ein von glasklaren Slidegitarren und Bass flankierter weltmüder, düsterer Gesang, BELLADONNA OF SADNESS klingt geheimnisvoll und verschnörkelt. Das Ganze erzeugt eine eigentümlich kinematische Atmosphäre, erinnert irgendwie an die großartige Filmmusik der 50er Jahre. Saviors verruchte Stimme schwebt dabei teilnahmslos über den Songs, singt über das Gefühl der Schalheit nach einem One-Night-Stand (“Shades”), die Angst vor dem Verlassenwerden (“M.T.M.E”), das Erkalten leidenschaftlicher Gefühle (“Cupid”) und spottet über ein naives Hollywood-Starlet, dessen Freunde Mentholzigaretten rauchen und an Scheinpsychosen leiden (“Girlie”). Angst und Emotionen werden dabei häufig über ein fiktives Alter Ego kommuniziert, vor allem bei den Songs “Mirage”, “Girlie” und “Frankie” bedient sich Savior dieser Technik, die ihr erlaubt, eine subtile, assoziationsreiche Bilderwelt zu erzeugen.
Für ihr Debütalbum hat Savior prominente Unterstützung gefunden. Kein Geringerer als Alex Turner half ihr, das Album zu produzieren. Wie Savior anerkennend sagt, hat er dafür gesorgt, dass die Texte charakterorientierter und weniger autobiografisch wurden, und steuerte außerdem Gitarre und Bass bei. Die Zusammenarbeit mit einem so prominenten Musiker wie dem Frontmann der Artic Monkeys kann sich dabei allerdings schon einmal als zweischneidiges Schwert erweisen. Der große Name Alex Turner dürfte gewiss die Bekanntheit der US-Singer-Songwriterin steigern, lenkt andererseits einen gut Teil des gegenwärtigen Medieninteresses auf den Briten, das doch eigentlich Savior selbst gebührt. Eine spannende, wenngleich offene Frage bleibt deshalb, wie BELLADONNA OF SADNESS wohl geklungen hätte, wenn sich Savior auf ihre eigenen großen Talente verlassen hätte, die sie ohne Zweifel hat.
Alexandra Savoir
BELLADONNA OF SADNESS
VÖ: 7.4.2017 – Sony Music / Titelfoto: Sony Music