The Beatles: Rubber Soul

Heute vor 50 Jahren erschien „Rubber Soul“ von den Beatles, entstanden in intensiver vierwöchiger Arbeit im Abbey Road-Studio. Für heutige Ohren mag das Album mit seinem prä-psychedelischen Mix aus Pop, Soul und Folk ein wenig zahm, möglicherweise sogar kurios klingen. Dennoch gilt „Rubber Soul“ zu Recht als der wichtigste kreative Sprung in der Karriere der Beatles und signalisierte, in welche musikalische Richtung die Band sich künftig bewegen würde: weg von den fröhlichen, unbeschwerten Songs der Beatlemania, mit der sie die Welt erobert hatten, und hin zu einem introspektiven, erwachseneren und anspruchsvolleren Klangrepertoire.
Eine musikalische Neuorientierung hatten die Beatles nach den rauschenden Erfolgen der frühen Jahre auch bitter nötig. 1965 drohte ihnen, womöglich als harmlose musikalische Leichtgewichte im Vergleich zu ihrer Konkurrenz wahrgenommen zu werden, weil mittlerweile Bands entstanden waren, die ihnen den Thron streitig machten. Die nie um einen guten Slogan verlegenen, provokativen Singles der Who („My Generation“) waren wilder; die Rolling Stones klangen böser, rauer, anrüchiger und trafen mit ihrem “I Can’t Get No Satisfaction“ den erwachenden Zeitgeist des Anti-Establishments und der Rebellion stärker als das nervös-aufgeregte „Help“ der Beatles. Und die Kinks brillierten mit Songs voller Melancholie und Ironie.
Mit „Rubber Soul“, das mit neuen Aufnahmetechniken und Soundeffekten experimentierte, setzten sich die Beatles jedoch erneut deutlich von ihrer Konkurrenz ab und zeigten einmal mehr, wer die Nummer eins im Musikgeschäft war.

„Rubber Soul“ war Pop im besten Sinne, inspiriert von den Klängen und Stilen, die im Zuge der „British Invasion“ diesseits und jenseits des Atlantiks um die Band entstanden waren. „Drive my Car“, ein skurriler Song über ein junges, ehrgeiziges Starlet, das in Erwartung des großen Ruhms seinen Lover bittet, schon mal den Chauffeur zu spielen, dann aber gesteht, überhaupt kein Auto zu haben, hat seine unverkennbaren Wurzeln im R&B und Soul.

Drive my Car
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Nowhere Man“, wiederum besticht durch opulenten Harmoniegesang und ein wundervoll sparsames, von Lennon und Harrison unisono auf der Stratocaster gespieltes Gitarrensolo.

Nowhere Man
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Harrisons Sitar-Debüt auf „Norwegian Wood“ und Paul McCartneys Fuzz Bass auf „Think for Yourself“ zeigen zudem das zunehmende Bewusstsein der Band, dass das Studio mehr sein konnte als nur ein kurzer Boxenstopp, um zwischen den vielen Tourneen aufzutanken.

Norwegian Wood
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Mehr als alles andere ist indessen der Einfluss spürbar, den Bob Dylan in dieser Phase auf Stil und Lyrics der Beatles hatte. So verdeutlichen der Song „Nowhere Man“, in dem ein müde, deprimiert klingender Lennon seine Lebenssituation reflektiert, und das in schönen, melancholischen Erinnerungen schwelgende „In my Life“ einen ernsthafteren und persönlicheren kompositorischen Stil, der offenbar auf einmal durch Dylan möglich geworden war.

Für George Harrison war „Rubber Soul“ das beste Album, das die Vier bis dahin gemacht hatten, weil „…wir auf einmal Klänge hörten, die wahrzunehmen, wir vorher nicht in der Lage waren.“ Der Grund, warum die Beatles auf einmal so gut hören konnten, zeigte freilich einen anderen, eher bedenklichen Trend der Zeit. John Lennon nannte „Rubber Soul“ im Rückblick das „Pot-Album“ der Band – eine Anspielung auf das Marihuana, das die Musiker zunehmend konsumierten. Und Ringo Starr sekundierte in einem Interview: „Bei Rubber Soul“ haben wir ziemlich viel herumexperimentiert. Ich glaube, das lag wohl an dem Stoff, den wir zu uns nahmen“.

Sei’s drum. Schon kurz nach seinem Erscheinen am 3. Dezember 1965 kletterte „Rubber Soul“ auf Nr.1 der britischen Albumcharts und behielt den Spitzenplatz zwölf Wochen lang.

Foto: pixabay

Standardbild
Hans Kaltwasser
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