Zehn herausragende Novelty Songs

Albern? Kindisch? Ärgerlich? Irritierend? Nun ja… aber wer sagt denn, dass es nicht in jedem kreativen Bereich hervorragende Leistungen gibt? Ein Beispiel sind Novelty Songs. Das sind witzige, humorvolle Lieder über lustige Begebenheiten oder die mannigfachen Widrigkeiten des Alltags. Manchmal behandeln sie reine Nonsens-Themen oder parodieren erfolgreiche Popsongs. Novelty-Songs waren schon immer ein fester Bestandteil der populären Musikcharts und werden es wohl auch immer sein.

Wir haben zehn Beispiele für diese Kunst ausgesucht, die uns besonders gut gefallen.

1. Aqua – „Barbie Girl“ (1997)

Die dänisch-norwegische Popgruppe Aqua landete mit dieser Hommage an die Puppen Barbie und Ken weltweit auf Platz 1. Bandmitglied Soren Rasted wurde zu diesem Lied inspiriert, nachdem er in Dänemark eine Ausstellung zum Thema Kitschkultur mit Barbie-Puppen gesehen hatte. „Barbie Girl“ wurde von den Popmusikfans sowohl zum Lieblingssong als auch zum „nervigsten“ Song gewählt. Aqua veröffentlichte zwei weitere Singles, die in Großbritannien Platz 1 der Charts erreichten, in den USA jedoch den Weg in die Top 10 nicht schafften.

Mattel, die Firma, die Barbiepuppen verkauft, verklagte die Gruppe und beschwerte sich, dass Aqua Barbie zu einem Sexobjekt gemacht habe, indem sie sie als „blondes Flittchen“ bezeichnete. Klagen und Gegenklagen gelangten bis zum Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, wo die Klage schließlich abgewiesen wurde. Ein Berufungsgericht entschied, dass „Barbie Girl“ als Parodie nach dem Urheberecht geschützt sein. Interessant: Später verwendete Mattel den Song in seiner eigenen Werbekampagne zum Verkauf von Barbiepuppen.  

2. Bobby McFerrin – Don’t Worry, be Happy! (1988)

Vor fast vier Jahrzehnten sang Bobby McFerrin „Don’t Worry, Be Happy“. Das waren angeblich die letzten Worte des indischen Gurus Meher Baba, bevor er sich im Jahre 1925 entschied, fortan zu schweigen. Und weil die einfachsten Weisheiten oft die besten sind, ging dieses Aperçu um die Welt. In den USA war es in den 70er-Jahren auf Plakaten und Postkarten allgegenwärtig. Auch Bobby McFerrin hat dieses Lebensmotto offensichtlich fasziniert. Der Mann, der heute prächtige Rasta-Locken trägt, ist ein außergewöhnlicher Musiker, der mühelos zwischen Pop, Jazz und Klassik wandert. Allein mit seiner Stimme kann er selbst Massen in einem Fußballstadion in den  Bann ziehen.

„Don’t Worry, Be Happy“ ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie ein Lied gleichzeitig albern und tiefgründig sein kann. Im Text zählt McFerrin ein Reihe unglücklicher Umstände auf, gibt aber keine Ratschläge, wie man sie lösen kann. Stattdessen fordert er nur dazu auf, die Gegenwart zu akzeptieren, um die Zukunft zu meistern.

Bei der Aufnahme des mehrstimmigen Songs mit ermutigender wie ironischer Botschaft verzichtete der Vokalvirtuose auf jegliche Instrumente und nahm die sieben Stimmen im Mehrspurverfahren auf. Dazu machte er mit seinem Zwerchfell allerlei lustige Geräusche.

Mit seinem locker-fröhlichen Song landete der US-Musiker übrigens seinen ersten und einzigen Welthit. Für Bobby McFerrin kein Grund zur Traurigkeit. Die Rolle des Pop-Superstars behagte ihm schon damals ohnehin nicht. Kurz nachdem „Don’t Worry, Be Happy“ die Spitzenpositionen der Popcharts erklommen hatte, verschwand der Sänger für einige Zeit aus der Öffentlichkeit und lernte das Dirigieren. Warum? Weil er Mozart und Beethoven neu erfahren wollte. Eine Klangwelt, die ihm seit jeher vertraut war, weil seine Eltern im klassischen Musikbetrieb arbeiteten.

3. Steve Martin – „König Tut“ (1978)

In den späten 70er-Jahren avancierte der populäre Schauspieler Steve Martin zum beliebtesten Stand-up-Komiker der USA. Bis zu 20 000 Menschen versammelten sich in Sälen und Stadien, um ihn zu sehen. Seine häufigen Auftritte in der TV-Sendung „Saturday Night Liebe“ festigten seinen Ruhm als nationale Legende. Standardausdrücke »Hey, we“re having some fun now!« und das lang gezogene »Excuuuuuse me!« gingen in den Teenagerwortschatz ein.

Martins Karriere machte einen weiteren Sprung nach vorne, als er begann, Comedy-Alben zu veröffentlichen. Seine Langspielplatten gingen jeweils mit über einer Millionen Exemplaren weg. Sein zweites, ebenfalls millionenfach verkauftes Album „A Wild and Crazy Guy“ enthielt auch die Top-20-Hitsingle „King Tut“, die die damalige Besessenheit vieler Amerikaner vom ägyptischen Pharao Tutanchamun parodierte.    

Vor allem in Chicago war der Song ein großer Hit und hielt sich vier Wochen lang an der Spitze der Pop-Charts des lokalen Radiosenders WLS, während die Tutanchamun-Ausstellung im Field Museum of Natural History gezeigt wurde. Im Jahr 2011 nahmen Steve Martin und seine Steep Canyon Rangers eine Bluegrass-Coverversion von „King Tut“ auf.

4. Napoleon XIV – „They’re Coming To Take Me Away Ha-Haa“ (1966)

Unter dem mysteriösen Pseudonym Napoleon XIV schaffte der US-Musikproduzent Jerry Samuels mit dieser Geschichte über den Abstieg eines Mannes in den Wahnsinn und seine Zwangseinweisung in eine psychiatrische Anstalt ein überraschendes One-Hit-Wonder. Grund des Protagonisten ist jedoch nicht, wie man zunächst meinen könnte, dass er von seiner Partnerin verlassen wurde, sondern von seinem Hund. 

Nicht alle konnten über den Song lachen. Die Verspottung psychisch kranker Menschen führte dazu, dass er von vielen Radiosendern nicht gespielt wurde und die US-Gesellschaft zur Wahrnehmung der Urheberrechte von Komponisten und Textern zeitgenössischer Musik (BMI) die Zertifizierung des Liedes aufhob. Zu spät. Der Song erreichte gegen alle Widerstände Platz 3 der Pop-Single Charts der USA und Platz 4 in Großbritannien. In Deutschland war er weniger erfolgreich, aber immerhin so bekannt, dass Malpartus II (die hessische Band The King Beats) eine deutsche Version mit dem Titel „Ich glaab, die hole mich ab, Ha -Haaa!“ herausbrachte.

Um den Übergang vom ruhigen, rhythmischen Erzählen zu einer nach einem Psychopathen klingenden Anklage an die Partnerin oder den Hund dazustellen, experimentierte Samuels mit verschiedenen Bandgeschwindigkeiten er das rhythmische Tempo unverändert ließ. Die B-Seite der Platte enthielt denselben Song nur rückwärts gespielt. Konsequenterweise nennt sich der Interpret hier Noelopan VIX.

Musikalisch hat der Song längst Kultstatus und gilt als früher Vorläufer von Rap und Hip-Hop. Er wurde unter anderem von Lard und Neuroticfish gecovert.

5. Weird Al Yankovic – „Smells Like Nirvana“

Seit mehr als drei Jahrzehnten nimmt Weird Al Yankovic bekannte Songs auf die Schüppe. Ob Madonna, Lady Gaga, Miley Cyrus oder Pharell Williams, Yankovic zieht sie alle mit seiner ewig gleichen Masche durch den Kakao. Er schreibt die Texte der Hits um und dreht dazu ein schräges Video. 2014 gelang ihm mit seinem 14. Album „Mandatory Fun“ (Pflichtspaß) sogar der Sprung auf Platz eins der US-Charts. 2018 wurde der Künstler mit einem Stern auf dem Hollywood Walk of Fame geehrt.

So richtig bekannt wurde der nerdige Architekturstudent mit seinem Song „Eat It!“, einer glänzenden Parodie auf den Michael Jackson Klassiker „Beat It“!). Das dazugehörige Musikvideo könnte glatt als eine Eins-zu-eins Kopie des Originals durchgehen, wären da nicht die süffisanten Seitenhiebe und komischen Nebengeräusche.

Wer von Yankovic parodiert wird, gilt im US-Musikbusiness als geadelt. Nur selten lehnen die prominenten Musiker ab, ob ihre Zustimmung nach dem amerikanischen Urheberrecht gar nicht erforderlich ist. So auch bei Kurt Cobain, der als ausgesprochener Bewunderer der Kunst von Yankovic galt. 1991 waren Nirvana mit ihrem bahnbrechenden Song „Smells Like Teen Spirit“ auf der Weltbühne angekommen. Was nicht nur bedeutete, dass die Band auf den größten Bühnen der Welt spielte, sondern auch, dass der Song perfekt in das Beuteschema von Yankovich passte. Doch anstatt den typischen Grunge-Blickwinkel des Weltschmerzes der Band zu nutzen, nimmt Yankovich Cobains undeutliche Aussprache aufs Korn, die es vielen Fans schwer machte, den Text zu verstehen. Einer der wohl wichtigsten Songs des 20. Jahrhunderts wird so auf ein unverständliches Gebrummel reduziert. Eine ungewöhnliche Perspektive gewiss. Yankovich treibt sie jedoch noch auf die Spitze, indem ihm beim lyrischen Highlight des Musikvideos „It’s hard to bargle nawdle zouss/With all these marbles in my mouth“  (etwa: Es ist schwer, mit all diesen Murmeln im Mund zu tanzen)  die Murmeln nur so aus seinem Mund herauspurzeln.

6. Bobby „Boris“ Pickett and the Crypt Kickers – „The Monster Mash“ (1962)

Anfang der 1960er-Jahre war Bobby Pickett ein aufstrebender Schauspieler, als er auf der Bühne stand und einen Monolog hielt, der den Sprachstil der Horrorfilmlegende Boris Karloff persiflierte. Dem Publikum gefiel, was es sah und hörte, und schließlich stellten Pickett und ein paar Studiomusiker den „Monster Mash“ zusammen. Der Song war im Wesentlichen eine Parodie auf den damals populären Tanzstil „Mashed Potato“. „Monster Mash“ setzte sich an die Spitze der Pop-Single Charts in den USA und kehrte 1973 sogar noch einmal in die Top Ten zurück. Heute ist das Lied einer der beliebtesten und langlebigsten Halloween-Songs.

7. Ray Stevens – „The Streak“ (1974)

Einer der erfolgreichsten Interpreten von Novelty- und Comedy-Songs aller Zeiten ist der US-Musiker Ray Stevens. Von ihm stammen Klassiker wie „Ahab the Arab“, „Gitarzan“ und „Along Came Jones“. 1974, als die Modeerscheinung des Flitzens (nackt in der Öffentlichkeit laufen) ihren Höhepunkt in den USA hatte, schrieb Stevens diesen skurrilen Song. Im Text geht es um die Fake News über einen Flitzer, der in einem Supermarkt und an anderen Orten für Aufsehen sorgt.

Der Song wurde einer der größten Hits von Stevens und erreichte die Spitze der Pop-Single-Charts.

8. David Seville „Witch Doctor“ (1958)

Nur Hardcore-Cineasten wissen vielleicht, dass der US-Songwriter und Schauspieler Ross Bagdasarian im Hitchcock-Thriller „Das Fenster zum Hof“ neben James Stewart und Grace Kelly einen kurzen Auftritt hatte: Als mittelloser Texter und Komponist probt er am Kamin, während Hitchcock hinter ihm eine Kaminuhr aufzieht. Besser bekannt wurde er allerdings unter dem Namen David Seville, der mit seinem Song „Witch Doctor“ 1958 an die Spitze der US-Charts stürmte und Liberty Records vor dem Ruin rettete. In Großbritannien erreichte das Stück Platz 11.

Inspiriert zu dem Lied wurde Seville durch das Buch „Duel with a Witch Doctor“ von Jan de Hartog, dem er die Erkenntnis entnahm, dass alle erfolgreichen Pop-Songs eines gemeinsam zu haben schienen: Man konnte keinen der Texte verstehen. Sevilles „Witch Doctor“ erzählt die Geschichte eines Mannes, der sich hoffnungslos in eine schöne Frau verliebt hat, die seine Gefühle aber nicht erwidert. Der Liebeskranke geht schließlich zu einem Hexendoktor, der ihm die Formel verrät, mit der er die Liebe seiner Angebeteten gewinnen kann: „Ooh eeh, ooh aah, aah, ting tang, wallawalla bingbang“. Die mit hoher, quietschender Stimme gesprochene Liebesformel entstand eher durch einen Zufall. Seville hatte die Textzeile versehentlich in einer niedrigen Bandgeschwindigkeit aufgenommen. Beim Abspielen mit normaler Geschwindigkeit entstand der Micky-Maus-Effekt, den Seville wenig später den von ihm entworfenen Komikfiguren Chipmunks verpasste.      

1998 erreichte die dänische Country-Pop-Band Cartoons mit ihrem Eurodance-Cover des „Witch Doctor“ Platz zwei in den britischen Charts.

9. Brian Hyland – „Itsy Bitsy Teenie Weenie Yellow Polka Dot Bikini“ (1960)

1960 war „Itsy Bitsy Teenie Weenie Yellow Polka Dot Bikini“ gesungen von dem damals 16jährigen Schüler Brian Hyland der Sommerhit des Jahres. Der Song kletterte auf Platz eins der US-Billboards und erreichte in den britischen Charts Platz acht. Wörtlich übersetzt ist ein „Itsy Bitsy Teenie Weenie Yellow Polka Dot Bikini“ ein winzig-kleiner-klitze-kleiner Bikini mit gelben Punkten.

Bikinis galten beim Erscheinen des Songs noch als unanständig

Bevor das Lied in den USA in den Radios gespielt wurde, galt das Tragen des 1948 auf einer Pariser Modeschau vorgestellte Bikini weithin noch als unanständig. Die beiden Komponisten des Liedes, Paul Vance und Lee Pockriss, hatten deshalb auch einige Mühe, ihren Song zu verkaufen. Viele Plattenfirmen befürchteten negative Schlagzeilen, genauso wie die meisten Sänger. Nur der junge Brian Hyland traute sich – und wurde über Nacht in den USA und England zum Teenager-Star, der mit seinem Song vielen die Augen und den Verstand öffnete. Plötzlich boomte der Verkauf von Bikinis und der Zweiteiler war gesellschaftsfähig geworden. 

Im Song geht es übrigens nicht um eine kurvenreiche Strandschönheit, sondern um ein kleines Mädchen, das zum ersten Mal einen Bikini trägt und sich nicht traut, die Umkleidekabine zu verlassen. Dann schafft sie in eine Decke eingehüllt den Weg zum Strand und geht dann ins Wasser, das sie nicht verlassen will, obwohl sie längst blaue Lippen hat.

Auch in anderen Länder war der Song erfolgreich. In Frankreich coverte ihn Johnny Hallyday. Im Film „Eins, Zwei, Drei“ von Billy Wilder, der in Deutschland am 18. Dezember 1961 Premiere hatte, wurde das Lied verwendet, um einen von Horst Buchholz gespielten, vermeintlichen US-amerikanischen Spion durch ständiges Vorspielen des Liedes durch Schlafentzug zu foltern und so zum Geständnis zu zwingen.

10. The Royal Guardsman „Snoopy vs. the Red Baron“ (1966)

Der Song klingt wie ein Militärmarsch. Zuerst brüllt jemand „Achtung, jetz wir singen zusammen die Geschichte over den schweinkopfigen Hund und dem lieben Red Baron!“. Dann legt die Band getrieben durch die wirbelnde Snare des Drummers los und erzählt die Geschichte von einem komisch aussehenden Hund mit schwarzer Nase, der das als unbesiegbar geltende Flieger-Ass aus dem Ersten Weltkrieg, den „Roten Baron“ Manfred von Richthofen zu einem echten Hundekampf in der Luft herausfordert und schließlich abschießt. Ein deutscher Unteroffizier zählt dazu in Vieren („eins zwei drei vier“). Man hört immer wieder das Dröhnen von Kampfflugzeugen, Maschinengewehrsalven und zum Schluss das ins Trudeln geratene Jagdflugzeug des „Bloody Red Baron“.

Die sechsköpfige US-Band „The Royal Guardsmen“, die sich nach dem von ihnen verwendeten VOX-Verstärker benannt hatten, fanden den von ihrem Produzenten Phil Gernhard und dem Komponisten Dick Holler geschriebenen Song zunächst gar nicht sexy. Das Autorenteam, das vom wirtschaftlichen Potenzial seines Songs fest überzeugt war, hatte sich von einer neuen Zeichentrickserie des Komikzeichners Charles M. Schulz über Snoopy, den Hund von Charlie Brown inspirieren lassen. Allerdings hatten sie Schulz nicht um Erlaubnis für die Verwendung des Namen Snoopy gefragt. Deshalb drohte zunächst ein Urheberrechtsstreit, der ab beigelegt werden konnte.

Gernhard/Holler lagen mit ihrer Einschätzung goldrichtig. „Snoopy vs. The Red Baron“ erreichte Platz 2 in den US-Charts und war auch in Kanada, Australien, Neuseeland und Großbritannien ein großer Hit. Weitere große Erfolge blieben den Royal Guardsmen versagt. Und obwohl der Song ein Hit war, machte er die Band nicht wirklich reich: Der Anteil der Guardsmen betrug bloß 2,7 Cent pro verkaufter Platte und wurde durch sechs geteilt.

Standardbild
Hans Kaltwasser
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