Vor 40 Jahren hat Niedeckens BAP uns „Ne schöne Jrooß“ zugerufen und bemerkt: Et selve Jlas kann morjens halvvoll sinn“. Klare Worte, tiefgehende Weisheiten und Gesellschaftskritik, das ist die eine Seite, die die Alben von Niedeckens BAP auszeichnet; schöne, eingängige Rockballaden bis hin zu fetzigen Rock die andere. Was können wir von diesem Kölner Musiker noch erwarten – er und seine Band haben ja längst Musikgeschichte geschrieben. Morgen erscheint das neue Album von Niedeckens BAP „ALLES FLIESST“.
Wer nun denkt, dass es ein Alterswerk ist, der irrt. Denn das mittlerweile 20. Studioalbum von Niedeckens Band versprüht viel Leichtigkeit, manchmal Dramatik, witzige Gelassenheit, Ironie und großes Selbstbewusstsein. In „Hauptjewinn“, dem ersten Stück des Albums, singt er „Man muss keinem was beweisen, nicht einmal Florian Silbereisen“; aber auch „Oft ist man planlos, nahezu ratlos, weil alles mit allem zusammenhängt“. Und „Wer kennt schon die ganze Wahrheit?“ singt Niedecken am Ende und zuletzt hört man gefühlvolle Streicher.
Klagende und zornige Gitarren leiten den Song „Jeisterfahrer“ ein. Und dazu ein Text, der so viel Wahres enthält wie zum Beispiel die Zeilen „Und du fühlst dich wie ein Geisterfahrer, aufgekratzt und schlecht, unterwegs im Land der Dichter und Denker zwischen Hölderlin und Brecht“, wo jetzt “ Katzengold als Sensation, getürkte Emotion, Ballermann un Dschungelcamp. Scheißejal, die Quote stimmt!“ den Ton angeben.
„Alles zoröck op Ahnfang“ – ja, vielleicht – doch alles wandelt sich und fließt, „Un weil alles fließt, kann ’ne Moment su lang wie zweidausend Johr sinn.“ hört man und weiß, dass trotzdem nichts ist, wie es einmal war. Nur die Musik von Bap, die ist wie eh und je voller Emotionen und Melancholie und schön rockig.
Poetische Balladen gehören auch zum Repertoire von Wolfgang Niedecken und seiner Band. „Wenn am Ende des Tages“ ist so eine. Und „Für den Rest meines Lebens“, wenn Niedecken singt „Wo vürher noch jrau, plötzlich himmelblau, et Leeve wood heiter.“, dann weiß man, hier singt er ein Liebeslied für seine Frau. Da kann man schon neidisch werden. Genauso schön bedenkt er seine Tochter mit dem Song „Mittlerweile Josephine“, herzerwärmend.
Wolfgang Niedecken besitzt die große Fähigkeit, seine Umgebung, die nahe und auch die weit entfernte, präzise zu beobachten, zu beschreiben und den Nagel auf dem Kopf zu treffen. Mal zornig, mal ironisch, aber dann auch wiederum liebevoll und zärtlich. Niedecken schämt sich nicht, weder für das eine noch für das andere. Und das ist gut so! Denn damit hat er sich und hoffentlich nicht zum letzten Mal in das kollektive Bewusstsein nicht nur der Kölner, sondern unser aller gesungen.
VÖ: 18.9.2020 CD – Label: Vertigo Berlin – Bestellnummer00602507273842