Liebe in Zeiten ohne Internet
Heute ist der Tag der kommerziellen Liebe. Eine gute Gelegenheit, sich daran zu erinnern, dass es eine Zeit gab, in der unsere Liebesbekundungen noch nicht mit dem High-Speed-Volumen unserer Telefonanbieter zusammen hingen. Aber wie um Himmels Willen ging nochmal dating vor dem digitalen Zeitalter? Damals, als sich noch nicht alles mit ein paar Smileys regeln ließ? Mit einem flimmernden Bildschirm zwischen uns trauen wir uns vieles, aber wüssten wir ohne überhaupt noch, was zu tun ist? 6 (nicht ganz ernst gemeinte) Fragen an vergangene Zeiten:
1. Wie kam man früher an Dates?
Kein tinder, bei dem sich der Suchradius lustig munter verstellen lässt, kein Parship, das einem andere Menschen rauslegt, die auch auf Spaghetti Bolognese und Punkrock stehen, keine heißen Facebook-Freunde von Freunden, denen man mal eben ein paar lässige Zeilen schicken kann. Heute funktioniert die Partnersuche gemütlich von der Couch aus. Wie ging das früher? Hatte man immer Zettel und Stift dabei, um die Nummer der Eltern aufschreiben zu können? Einmal hatte ich ein solches Old-school-Erlebnis, als ich einen jungen Mann kennen lernte, von dem ich nur den Vornamen wusste und wo er arbeitete. Im Nachhinein habe ich mich so geärgert, dass ich ihn nicht nach seiner Nummer gefragt habe, dass ich ihm einen Brief schrieb und damit zu seiner Arbeit marschierte. Die nette Dame am Empfang grinste nur und wusste nach mehreren Telefonaten seinen Nachnamen mitsamt seiner Abteilung. Inzwischen standen etwa fünf Leute um uns herum, die das Geschehen amüsiert verfolgten. Als der junge Mann und ich uns kurz darauf trafen, begrüßte er mich mit den Worten. „Das hat wirklich was bedeutet!“ Der Einsatz war früher definitiv höher als der Stand unserer Akkus heute!
2. Wie hat man mehr übereinander erfahren?
Eine ziemlich heikle Angelegenheit, immer Dinge zu fragen, die man eigentlich aus seiner Online-Vorrecherche schon längst weiß, aber so tun muss, als wüsste man sie nicht. Mir passierte es mal in einem Moment freudiger Fahrlässigkeit, dass ich den Satz meines Gegenübers beendete, als er mir gerade etwas von einer Reise erzählen wollte, ich das dazugehörige Foto aber längst kannte. Ups. Ist man vor dem Date bereits auf Facebook befreundet, ist doch sowieso klar, dass der Andere längst alle Profilfotos von einem gesehen hat. Das machen wir doch ALLE, oder?
3. Wie ist man mit peinlichen Gesprächspausen umgegangen?
Einer geht rauchen, der andere zur Toilette, zack, Handy rausgeholt, drauf rumgewischt. Bloß keine Minute mit sich alleine irgendwo verbringen, das ist ja peinlich. Man hat sich nichts zu sagen? Hey, lass uns etwas googeln, über das wir irgendwann mal geredet haben, aber zu faul waren, es auszudiskutieren.
4. War eine Trennung etwa wirklich eine Trennung?
Ein Punkt, den ich mir tatsächlich leichter vorstelle: Schluss hieß Schluss. Kein Rumgestalke auf Facebook, das einem Bilder vom neuen Liebesglück unter die Nase rieb und garantierte, dass sich der Liebeskummer zog wie Kaugummi. Kein „zuletzt online um“ bei tinder. Kein Weiterleiten der letzten Zeilen an Freunde, zur gemeinsamen Analyse, was diese wohl heißen könnten (ja, Mädchen machen das, natürlich nur manchmal), keine Kunstpausen, in denen man sich lange überlegen konnte, was man wohl als nächstes Herzbrecherisches sagen könnte. Nein, man musste das von Angesicht zu Angesicht erledigen – und zwar sofort. Etwas, was uns heute nur noch schwer über die Lippen geht ohne die schützende delete-Funktion unserer Tastaturen.
5. Wie ging damals eigentlich Sex?
Auch unser Sexleben ist nicht verschont geblieben. Nackte Haut, wo man hinsieht und nichts, was es nicht gibt auf den Pornoseiten dieser Welt. Das macht uns insgesamt sicherlich weniger prüde und das ist ja auch irgendwie gut so. Andererseits setzen Menschen plötzlich Dinge voraus, von denen andere noch nichteinmal gehört haben. Der Leistungsdruck, ein immer williges, knackiges und experimentierfreudiges Porno-Häschen ohne Cellulite und Schamhaar zu sein, steigt. Wie ging das, als wir noch nicht rund um die Uhr aller Menschen Sexphantasien vorgehalten bekamen? War der Sex langweiliger? Oder entspannter?
6. Gab es Fernbeziehungen?
Urlaub mit den Jungs oder sogar ein halbes Jahr im Ausland sind heutzutage ein Klacks! Bei so viel digitaler Nähe auf allen Kanälen spielt es schon fast keine Rolle mehr, wo der Andere gerade ist. Die Vorstellung, den Gefühlshaushalt von einem einzigen mühevoll geschriebenen Brief eine ganze Woche lang bei Laune halten zu müssen – unvorstellbar!
15 Jahre später…
Mit 15 bekam ich zum Geburtstag ein Handy geschenkt, das ich gar nicht haben wollte, es hatte mir schließlich bis dahin auch nicht gefehlt. 15 Jahre später ist alles anders. Mein heutiges Handy erzählt mir alles darüber, wen Verflossene und Zukünftige aktuell so knutschen, wo sie Urlaub machen und was sie essen. Wir wissen alles und noch mehr übereinander, nicht selten viel zu viel. Zwanzig Jahre liegen hinter uns, die unser Liebesleben gehörig auf den Kopf gestellt haben. Eine kurze Zeit, in der wir alle ziemlich faul und trotzdem emotional eher untergewichtig geworden sind.
Über die Autorin: Vera Sophie schreibt auf Veraliebt über das Lieben, Entlieben, Wiederverlieben und all den anderen wunderbaren Facetten der mysteriösesten aller chemischen Reaktionen.