Sie war ein Superstar, galt als erste „Pop-Diva“ und zerstörte ihr Talent durch Drogen und Alkohol: Heute vor zehn Jahren starb Whitney Houston.
Nur wenige Popsängerinnen hatten eine so wunderbare Stimme wie Whitney Houston. Noch weniger haben ihr Talent mit so großer Gleichgültigkeit behandelt wie sie gegen Ende ihres Lebens. Sie verkaufte mehr Platten, erhielt mehr Auszeichnungen als fast jeder andere weibliche Popstar des 20. Jahrhunderts, verlebte aber die meisten ihrer letzten Jahre in Drogensucht, die ihren Willen zu singen schwächte und sie ins Chaos stieß. Ihr allzu früher Tod im Alter von 48 Jahren brachte ihre Alben wieder in die Charts und ihre Musik einer neuen Generation näher, die sie nur als Junkie und gestörte Persönlichkeit kannte, deren kommerziellen Erfolge in den 1990-er Jahren ihren Höhepunkt erreicht hatten.
Obwohl sie als Musikerin nie besonders aufregend war – ihr Label und Management verschwendeten ihre Fähigkeiten allzu oft an langweilige Songs für Erwachsene – war sie weitaus mehr als eine verlässliche Lieferantin belangloser Chart-Hits. Viele ihrer Sängerkollegen*innen lobten ihre makellose Technik und ihren Schliff, Qualitäten, die sie über fast jeden anderen Star ihrer Zeit erhob.
Virtuose, mitreißende Stimme
Houston hatte eine Gospelausbildung, aber ihre Stimme eignete sich auch für R&B, Pop und Balladen und meisterte souverän jeden Stil. Ihr größter Hit war eine Ballade, eine Coverversion von Dolly Partons „I Will Always Love You“ aus dem Jahre 1992. Ihre melodramatische Interpretation des Songs ging weltweit zwölf Millionen Mal über die Ladentheke und wurde damit zu einer der erfolgreichsten Singles aller Zeiten. Insgesamt verkaufte Houston mehr als 170 Millionen Tonträger und gehörte damit zur Elite der weiblichen Superstars, zu denen auch Mariah Carey und Celine Dion zählen, die beide stark von Houstons emotionalen, vibratoreichen Gesangsstil beeinflusst wurden. Houston tendierte oft zu dramatischen Liedern mit Texten, die den Sieg über alle Widrigkeiten des Lebens feierten und die ihr den Ruf als Erfinderin des Genres der Popdiva einbrachte, das Sängerinnen wie Ava Max bis heute inspiriert.
Houston war auch die erste schwarze Frau, die die Color Bar bei einem so wichtigen Sender wie MTV durchbrach, der bis dahin fast ausschließlich weiße Künstler gespielt hatte. Die häufige Ausstrahlung ihrer Videos macht sie in den USA zu einem vertrauten Gesicht. Ihre einzigartige Mischung aus Glamour, Talent und Offenheit machte sie für Millionen schwarzer und weißer Mädchen zu einer Sehnsuchtsfigur. Das US Time Magazine bezeichnete sie einmal als „Amerikas ersten schwarzen Liebling“.
Früher Erfolg als Sängerin und Model
Whitney Houston wurde am 9. August 1963 in Newark, New Jersey, in eine musikalische Familie hineingeboren: Sie war die Tochter des Gospel-Stars Cissy Houston, eine Cousine von Dionne Warwick und Patentochter von Aretha Franklin. Im Alter von elf Jahren begann sie in ihrem Kirchenchor zu singen. Als Teenager trat sie gelegentlich bei den Konzerten ihrer Mutter auf.
Ihre Stimme erregte schon früh Aufmerksamkeit. Mit fünfzehn sang sie gemeinsam mit ihrer Mutter bei Chaka Khans Hit „I’m Every Woman“ von 1978. Später unterstützte sie stimmlich Lou Rawls und Jermaine Jackson und arbeitetet nebenbei als Model. Ihr hübsches Gesicht verhalf ihr zum Erfolg vor der Kamera. Houston war das zweite schwarze Model, das 1981 auf dem Cover der US-Zeitschrift „Seventeen“ erschien, zu einer Zeit, als schwarze Gesichter in Modemagazinen noch eine Seltenheit waren. Allerdings ging „Seventeen“ auf Nummer sicher, indem es ein weißes Model neben sie auf dem Foto platzierte.
Auf dem Wege zum Crossover Star
Anfang der 1980-er Jahre war ihr unverkennbarer Gesangsstil bereits voll ausgeprägt. Kein Wunder, dass ihr Plattenverträge angeboten wurde; sie unterschrieb beim Label Arista, wo sie für den Rest ihres Lebens blieb. Clive Davis, der mächtige Präsident von Arista, war überzeugt, dass sie das Zeug zum Crossover Star hatte, und überwachte persönlich die Aufnahme ihres ersten Albums.
Allerdings entsprach ihr Aussehen – Rüschenkleid und kurzes, natürliches krauses Haar nicht dem, was Arista für das „richtige“ verkaufsfähige Image hielt, und verpasste ihr ein gründliches Makeover: Das Coverfoto ihres ersten Albums, das unter dem Titel „Whitney Houston“ 1985 auf den Markt kam, zeigte sie als eine ätherische, goldhäutige Schönheit mit geglättetem Haar und in einem elegant drapierten weißen Kleid. „Offensichtlich auf dem Wege zum Ruhm“, prophezeite das US-Magazin „Rolling Stone“ in seiner Rezension und sollte recht behalten. Houstons Debüt verkauft sich weltweit 25 Millionen Mal und wurde mit einem Grammy ausgezeichnet, dem ersten von sechs in ihrer Karriere. In den folgenden Jahren brach sie selbst den Rekord der Beatles für die meisten Nummer eins Singles in Folge – Houston schaffte sieben, was sie zu Amerikas bestverdienenden schwarzen Entertainerin machte.
Ab 1985 produzierte sie dann einen Pop-Hit nach dem anderen zu einer Zeit, als die Plattenindustrie auf ihrem Höhepunkt war:: „You Give Good Love“, „Saving All My Love for You“, „How Will I Know“, „I Wanna Dance with Somebody (Who Loves Me)“, „I’m Your Baby Tonight“, „My Love Is Your Love“ und unzählige andere. Ihre Coverversionen früherer Hits wie „I’m Every Woman“ von Chaka Khan und „I Will Always Love You“ von Dolly Parton stellten die Originale praktisch in den Schatten.
Ihre Allgegenwart in Radio und Fernsehen ebnete den Weg für andere afroamerikanische Sängerinnen und Bands wie Mary J. Blige und Destiny’s Child, die ebenfalls außerordentlich erfolgreich waren.
Houstons kommerziell erfolgreichstes Projekt war jedoch der Film The Bodyguard aus dem Jahre 1992, in dem sie an der Seite von Kevin Costner einen Filmstar spielte. Der Soundtrack wurde mit 44 Millionen verkauften Exemplaren zum erfolgreichsten Album ihrer Karriere. Es enthielt auch ihren Song „I Will Always Love You“, der sich 14 Wochen lang auf Platz eins der US-Charts hielt und auch die Spitze fast aller anderen Pop-Charts der Welt erreichte.
Tragischer Abstieg und Ende
Im selben Jahr heiratete Houston den Musiker Bobby Brown, Ex-Mitglied der US-R&B-Boyband New Edition, der für ihren Abstieg verantwortlich gemacht wird. Aus der Ehe ging ihr einziges Kind, ihre Tochter Bobbi Kristina, hervor, die drei Jahre nach Houston unter ähnlich tragischen Umständen ums Leben kam. Bobby Brown war eifersüchtig auf den Erfolg seiner Frau und neigte immer stärker zu emotionalem Missbrauch. In dieser Zeit begann auch Houstons Drogenkonsum. Etwa ab 1996 nahm sie täglich Drogen. Ein weiteres Album, „My Love Is Your Love“ (1998), erhielt zwar gute Kritiken, doch um die Jahrhundertwende häuften sich die Anzeichen eines unaufhaltsamen. tragischen Abstiegs. Houston erschien zu spät bei Veranstaltungen oder verpasste sie ganz. Bei der Oscar-Verleihung 2000 nahm man sie aus dem Programm, weil sie angeblich bei den Proben nicht bei der Sache war.
Im Jahr 2000 wurde sie auf Hawaii wegen Marihuanabesitzes verhaftet, die Anklage wurde jedoch fallen gelassen. In ihren letzten Jahren sah Houston abgemagert und erschöpft aus; ihr Gesicht war aufgedunsen und ausgemergelt. Der maßlose Drogenkonsum und ihre toxische Beziehung zu Brown hatten ihr attraktives Aussehen und ihre großartige Stimme zerstört. Die Künstlerin war nicht mehr in der Lage, ihre Auftritte zu Ende zu bringen. Bei ihren seltenen Konzerten wurde sie ausgebuht.
Am 11. Februar 2012 wurde Houston aus ungeklärter Ursache tot in einem Hotelzimmer in Los Angeles aufgefunden – Ende eines langjährigen Leidensweges und einer privaten Hölle, die niemand wohl jemals ganz ermessen können wird. Was unvergessen bleiben wird, ist ihre wunderbare, von unbändigem Optimismus und Verheißung getragene Stimme, die uns unweigerlich zum Mitsingen veranlasste.