WERK OHNE AUTOR von Florian Henckel von Donnersmarck

WERK OHNE AUTOR, der neue Film von Florian Henckel von Donnersmarck, beginnt im Jahre 1937 in Dresden und endet  in Düsseldorf der 1960er Jahren. Eine Geschichte in drei Epochen, die den Betrachter/die Betrachterin in die Vergangenheit Deutschlands führt und sie anhand menschlicher Schicksale sichtbar machen will.

Dabei bildet das Thema Kunst eine Verbindung zwischen den Protagonisten, ohne eine Hauptrolle dabei zu spielen. Zwar kreist der Film hauptsächlich um den Künstler Kurt Barnert (Tom Schilling) und dessen Lebensweg, doch es ist die politische und soziale Lage, in der sich die Handelnden befinden und die Entscheidungen, die sie treffen, die Beziehungen, die sie eingehen, die prägen.

Sieh niemals weg

Der kleine Kurt mit seiner Tante in der Ausstellung. Foto: Copyright 2018 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved

Der Untertitel des Films „Sieh niemals weg“ ist von zentraler Bedeutung, wie ich finde. Schon in den ersten Szenen des Films möchte man es dem kleinen Kurt zurufen, als er eine Nazi-Ausstellung mit Werken „Entarteter Kunst“ im Jahre 1940 mit seiner Tante besucht. Seine Tante, die wenig später vor seinen Augen in einen Wagen gezerrt und er niemals wiedersehen wird. Auch sie wird, wie viele andere Menschen, den Euthanasie-Programmen des Naziregimes zum Opfer fallen. Als Kind darf er nicht genau hinsehen, und doch wird dieses Erlebnis sein Leben prägen. Und wäre er nicht künstlerisch begabt gewesen, hätte er vielleicht als Arzt später versucht, niemals weg zusehen.

Paula Beer als Elisabeth Foto: Copyright 2018 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved

Doch so zeigt der Film weiterhin die Stationen eines werdenden Künstlers, der lernt, was die Kunst und Kunstförderung der frühen DDR will: Sich als Künstler unterordnen, sein Ich nach hinten, ganz in den Dienst der Masse, des Volkes zu stellen. Das entspricht nicht Kurts Vorstellung von Kunst.

Paula Beer und Tom Schilling Foto: Copyright 2018 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved

Die Studentin Elizabeth (Paula Beer) wird seine große Liebe. Doch das Verhältnis zu seinem Schwiegervater, Professor Seeband (Sebastian Koch), ist sehr gespannt. Bald flieht das Paar aus der DDR in die BRD.

Sebastian Koch als Euthanasiearzt Seebald Foto: Copyright 2018 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved

Das künstlerische Schaffen ist in Düsseldorf so weit weg von der Kunst der DDR und von dem, was Kurt sich vorgestellt haben mag. Er gerät in eine kreative Krise. Finanziell geht es dem jungen Ehepaar schlecht und Kurt wird von seinem Schwiegervater weiterhin gedemütigt.

Oliver Masucci als Düsseldorfer Kunstprofessor Foto: Copyright 2018 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved

Erst als Kurt die Zusammenhänge seiner Biografie begreift, löst sich seine Blockade. Er realisiert, das Seeband derjenige ist, der die Tante zwangssterilisiert hat, ein Euthanasie-Arzt war, der auch in der DDR-Karriere machte und im Westen, in Europa nun seinen Ruhestand genießt.

Der Regisseur Henckel von Donnersmarck ließ sich beim Drehbuch zu „Werk ohne Autor“ von wahren Begebenheiten inspirieren. Kurt Barnerts Lebensgeschichte ähnelt der des deutschen Künstlers Gerhard Richter. Insbesondere die Figur der Tante gleicht Gerhard Richters Tante, Marianne Schönfelder (1917-1945), die er in seinem berühmten Bild „Tante Marianne“ dargestellt hat und die ebenfalls Opfer des Euthanasie-Programms des Naziregimes wurde.

Der Film will keiner über Kunst sein, denn der Diskurs darüber, was Kunst eigentlich ist, würde auch in einem Film ohne Antwort bleiben.

Und ein Film allein über die Schrecken des Naziregimes und seine Verbrechen ist er auch nicht. Er zeigt sie klar und gar nicht subtil, weil es dafür keine Feinzeichnung geben darf.

„Werk ohne Autor“ ist vielmehr ein beeindruckender, dramatischer und wichtiger Film, der genau auf die prägenden Umstände einer Künstlerbiografie sieht und sie in ihren Ausmaßen zeigt. Das gelingt Florian Henckel von Donnersmarck ohne Pathos und ohne den Anspruch, Geschichte schreiben zu wollen.

Bis in die kleinsten Rollen hinein ist der Film hervorragend besetzt. Tom Schilling, der als Kurt Barnert nicht viel Worte macht und sehr bescheiden wirkt, und damit Gerhard Richter, „der Sphinx unter den Malern“ gerecht wird, ohne ihn vollständig zu kopieren. Paula Beer sehr gut als seine Frau, die lange den Machenschaften ihres Vaters ausgesetzt war. Sebastian Koch spielt sehr überzeugend den eiskalten SS-Offizier und Euthanasie-Verbrecher und dessen Wandlung zum kommunistischen Vorzeige-Arzt der DDR und späteren Karrierearzt im Westen Deutschlands.

Eine hervorragende Wahl traf der Regisseur, als er die Musik des Komponisten Max Richter als Soundtrack zur Unterstützung des Films aussuchte. Er strahlt an den richtigen Stellen Wärme und Tiefe aus und ist schlicht mitreißend. Richter hatte bereits für die Filme „Arrival“und „Waltz with Bashir“ die Musik komponiert.

Der Film „Werk ohne Autor“ startet am 3. Oktober in den Kinos

 

Titelbild: Tom Schilling als Kurt Barnet / Foto: Copyright 2018 Disney Enterprises, Inc. All Rights Reserved

Standardbild
Ingrid
Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen. Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.
Artikel: 3341

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.