Manche Filme machen viele Worte und sagen doch sehr wenig. Bei anderen ist es umgekehrt. Die Dialoge sind sparsam, die ausdrucksstarken Bilder tragen die Geschichte, vermitteln eine ganze Bandbreite komplexer Gefühle. In diese Kategorie gehört der Film WENN DAS LICHT ZERBRICHT des isländischen Regisseurs Rúnar Rúnarsson, der in der Tradition der aristotelischen Dramentheorie die Handlung auf 24 Stunden komprimiert: Zwischen zwei Sonnenuntergängen verliert eine junge Frau ihre erste große Liebe, kann aber ihre Trauer nicht offen zeigen und erlebt am nächsten Morgen mit einem anderen Menschen ein versöhnliches Melodram.

Der Film beginnt mit den beiden isländischen Kunststudenten Una (Elín Hall) und Diddi (Baldur Einarsson), die sich am Meer entspannen und den Sonnenuntergang genießen. Lange Zeit waren sie nur Freunde, die zusammen studierten und in einer Band spielten. Erst seit kurzem sind sie ein Paar. Doch außer Diddis Bruder und Mitbewohner Gunni (Mikael Kaaber) weiß niemand davon. Sie sprechen über das Leben, das Studium, die gemeinsame Zukunft und darüber, dass Diddi am nächsten Tag nach Hause will, um sich von seiner langjährigen Freundin Klara (Katla Njálsdóttir) zu trennen. Denn Diddi möchte richtig mit Una zusammen sein und ihre gemeinsame Liebe vor der Welt nicht länger verbergen. Die jungen Leute rauchen, kichern und umarmen sich einen Abend lang. Am nächsten Morgen ist Diddi verschwunden. Auf dem Weg nach Hause gibt es in einem Tunnel eine furchtbare Explosion. Viele Menschen sterben, auch Diddi ist unter den Opfern.
Während das ganze Land trauert, muss Una ihren eigenen Platz in der nationalen Tragödie finden und ihre Gefühle zurückhalten. Im Laufe des Tages schwankt sie benommen zwischen Freunden, Familie und Einsamkeit hin und her, fühlt sich in jeder Gesellschaft unwohl und ist allein unglücklich. Nur Diddis Bruder kennt die wahre Natur ihres Leidens. Für Herzensangelegenheiten bleibt indessen keine Zeit. Schon gar nicht, als Klara, Diddis langjährige Freundin in der Stadt ankommt, die nichts von der heimlichen Beziehung zwischen Diddi und Una weiß. Jetzt steht sie im Mittelpunkt und erhält den Trost von Freunden und Bekannten, den sich heimlich auch Una sehnlich wünscht und dessen sie nicht minder bedarf.
Unas spontaner Impuls ist es zunächst, der anderen Frau aus dem Weg zu gehen, während Klara sich ihr nervös nähert. Im Laufe des Tages und der Nacht entwickelt sich eine besondere Nähe zwischen den beiden Frauen. Während Diddis Freunde den Nachmittag über trinken und tanzen, entsteht zwischen Una und Klara eine unausgesprochene Verwandtschaft, die sich, wenn auch nur für diesen einen Tag, schnell zu einem tieferen, in der Intensität der gemeinsamen Trauer wurzelnden Verständnis entwickelt.
Klugerweise verzichtet Rúnarsson darauf, seine Figuren oder die Affäre zwischen Una und Diddi zu verurteilen und daraus eine trashige Seifenoper zu machen. Stattdessen erkundet er behutsam und subtil die plötzlichen Verbindungen, die der Tod zwischen den Lebenden herstellt. Dabei unterstreicht seine Entscheidung, den Film an einem einzigen Tag spielen zu lassen, die Eindringlichkeit der Erlebnisse der Figuren. Die Verwendung längerer Einstellungen und sparsamer Dialoge lässt den Zuschauer in die Welt von Una eintauchen und macht ihren Schmerz und ihre Verwirrung spürbar. Das bedächtige und gemächliche Tempo des Films spiegelt zudem das langsame Vergehen der Zeit wider, das oft mit Trauer einhergeht.
Alles an diesem 82-minütigen Film ist prägnant, aber bedeutsam. Seine knappe Erzählung, das minimalistische Spiel mit den Emotionen, die aufkommende, unterschwellige Turbulenzen verbergende, trügerische Ruhe, die intime und gleichzeitig unaufdringliche Kamera von Sophia Olsson, die klagende, nachhallende Musik von Johann Johannsson und nicht zuletzt die großartigen, noch weitgehend unbekannten SchauspielerInnen.
Wenn das Licht zerbricht Drama, Island, 80 Minuten
KINOSTART: 08.05.2025
Fotos Neue Visionen