George Martin, dem Produzenten der Beatles, gefiel der Song, den John Lennon ihm Anfang Februar 1965 während eines gemeinsamen Ski-Urlaubs in Österreich auf einer akustischen Gitarre gerade vorgespielt hatte: „Ticket to Ride“, ein Stück über das Auseinanderbrechen einer Liebesbeziehung und den Schmerz des Verlassenwerdens. Lennon sagte zu, die noch sehr rohe Fassung des Stücks gemeinsam mit Paul McCartney auszuarbeiten, bevor der Song im Studio aufgenommen werden sollte.
Die je persönlichen Anteile, die das Komponistenduo Lennon/McCartney am Song hatten, gelten unter den Beatles-Chronisten auch bis heute als höchst umstritten. Der im Dezember 1980 ermordete Lennon behauptete zeit seines Lebens, McCartneys kreativer Beitrag habe sich lediglich darauf beschränkt, Drummer Ringo Starr zu zeigen, wie der seine Schlagzeugparts zu spielen habe. Demgegenüber besteht der Beatles-Bassist bis heute darauf, „Ticket to Ride“ sei am Nachmittag des 14. Februar 1965 in bewährter Gemeinschaftsarbeit in der Villa Lennons entstanden, wobei dieser den etwas größeren kompositorischen Anteil gehabt habe.
Unstrittig ist indessen, dass die Beatles mit dem tags darauf in einer gerade einmal dreistündigen Session im Abbey Road Studio aufgenommenen Song Neuland betraten: „Ticket to Ride“ ist der erste Song des Liverpooler Quartetts, der die bis dahin im Music Business geltende magische Grenze von 3 Minuten Dauer übertraf. Zudem bedienten sich die Beatles zum ersten Mal einer neuen Aufnahmetechnik. Bis dahin hatten sie ihre Songs immer in mehreren Takes im Studio quasi live eingespielt, wobei die beste Aufnahme anschließend ausgewählt und mit nur wenigen Overdubs verfeinert wurde. Bei „Ticket to Ride“ hingegen wurden beginnend mit der Rhythmusspur die Details der musikalischen Arrangements im Overdubbing Spur für Spur getrennt aufgenommen und anschließend durch Mischen und Editieren zum Masterband zusammengesetzt.
Ermöglicht wurde dieses Verfahren, das die Studiotechnik späterer Jahre revolutionieren sollte, durch die neue vierspurige Bandmaschine im Abbey Road Studio, mit der eine Tonspur durch eine weitere Aufnahme überspielt werden konnte, ohne die bereits aufgezeichneten Tonspuren zu löschen.
Musikalisch fällt „Ticket to Ride“ durch eine deutlich härtere Gangart und anspruchsvollere Rhythmik auf. In den von George Harrison auf seiner 12saitigen Rickenbacker gespielten hell-läutenden Eingangsriff fällt nach einmaliger Wiederholung donnernd Ringo Starrs synkopisch ohne Hihats und Becken gespieltes Schlagzeug ein, über das sich der Sound schneidend heller E-Gitarren und der markante Gesang Lennons legt, der seine Wut, Frustration und Verzweiflung herausstößt, dass er von der Liebe seines Lebens verlassen wird. Innovativ an „Ticket to Ride“ ist auch das Fade-out, das quasi als eine eigene Melodie mit einem Tempowechsel gespielt wird.
Unklar ist freilich auch nach 50 Jahren die Bedeutung des Titels. Geht es hier um eine Zugfahrkarte nach der auf der Isle of Wight gelegenen Ortschaft Ryde, wo ein Vetter McCartneys lebte, den dieser und Lennon Anfang der 1960ziger Jahre besucht hatten, noch bevor die Beatlemania begann? Oder handelt es sich um einen jener berühmt-berüchtigten „Lennonism“ aus den Hamburger Tagen, mit dem der Beatle einen „Bockschein“ zu bezeichnen pflegte, d.h. ein amtsärztliches Gesundheitszeugnis, das die Prostituierten, die Teil der damaligen Hamburger Lebenswelt Lennons waren, für die Ausübung ihres Gewerbes benötigten?
Sei’s drum. Auch wenn der Song komplizierter, der Sound ungewöhnlicher und der Titel kryptisch ist, „Ticket to Ride“ schaffte mühelos den Durchmarsch zum Spitzenplatz der Charts in Großbritannien, den USA und der übrigen Welt und behauptete ihn dort wochenlang.
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