Villagers Live in Zürich – Ein Konzertbericht

Wie soll man Worte schreiben, wenn man eigentlich keine dafür hat? Ein Ereignis schildern, welches zu den schönsten Konzerterlebnissen eines Konzertlebens gehört? Eine schwelgerische Kritik wollte ich nicht schreiben, doch es wird sich nicht vermeiden lassen. Aber zuerst ein paar kleine Worte zu Wolfman. Aus Zürich. Also gleich zwei „Villagers“ heute Abend. Oftmalige Arroganz gegenüber der Schweizer Musikszene (es gibt auch Ausnahmen, einige sogar) verleiteten mich dazu, Wolfman ganz sausen zu lassen. Aber da Vorbands manchmal auch später beginnen als angekündigt, ließ sich dieses Vorhaben nicht verwirklichen. Und um ganz ehrlich zu sein, es hat sich für einmal sogar gelohnt. Katerina und Angelo’s abwechselnder Gesang ist eingängig und ergänzt sich. Vor allem die Songs, wo sie sich die Sätze und Fragen zuspielen und somit ein schöner Girl-Boy Dialog entsteht, gehören zu den sehr positiven Ansätzen. Der Synthesizer spuckt immer wieder verhallte, helle, schwurbelnde, um sich selbst drehende Töne und setzt spannende Akzente. Und auch wenn die Melodien oder die Texte nicht immer erhellend sind und man manchmal ein wenig mit den Gedanken spielt, alles als „nett“ abzutun, so ist der basslastige Sound doch kräftig genug und der Beat manchmal auch treibend genug, um über die gesamte Distanz zu bestehen. Simple Klangbilder, karge Beats und klare, kalte Töne, ein schönes Konzert einer schönen Zürcher Band.

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Gibt es einen besseren Ort in Zürich, klangtechnisch gesehen, für die Villagers als die Kolibri-Bühne des Plaza, einem Ort, wo die Töne Töne sein können, für sich alleine, ohne unterzugehen. Wo eine Stimme (und WAS für eine Stimme da gesungen hat) aus den Boxen perlt und wo der Bass zwar präsent ist, aber nicht die erste Geige spielt.

Es kam ein kleiner, schmächtiger Mann auf die Bühne. Conor J. O’Brien (Erinnerungen an Conor Oberst werden wach) mit seiner Band. Fast wie ein Junge wirkt er. Macht Grimassen, Witze, will ein charmanter Unterhalter sein und ist trotzdem manchmal (bewusst?) unbeholfen. Er singt zu seiner kleinen Gitarre „You are needing a friend, for to follow, for to fend“, singt den Song „My Lighthouse“ so grossartig, wie er auf Platte klingt und als das erste Lied verhallt, sind Wolfman vergessen und die Weltordnung von „Vorband/Hauptband“ wieder hergestellt. Conor singt in Reimen, fast immer, und fast immer gelungen und im Wortklang poetisch. Jeder Satz klingt wie aus romantischen Träumen geklaut, keine plumpen Liebeslieder noch und noch. Kein textliches Ödland. Sondern bezaubernd, spannend und bissig.

Dazu seine Kopfstimme, vielleicht etwas Paul Heaton (der schmächtige Ex-Housemartins-Frontmann und Songwriter, auch ein kleiner Grosser), etwas Conor Oberst (Bright Eyes), etwas Mumford & Sons und Decemberists (in Stimme wie auch als schwarzhumoriger Geschichtenerzähler) . Eine solche Stimme halt, mit Kraft und Charakter.

Und wenn er nur solche leisen Lieder gespielt hätte, es wäre egal gewesen, doch die Villagers haben noch viel viel mehr…

Sie haben Mut, Cleverness, Witz, Spielfreude und wechseln spielerisch zwischen lupenreinem Pop, fast jazzigen Strukturen, Kakophonie in Hochkultur mit erhabenem Lärm oder verkopftem, beatlastigem Folk. Mit Orgel, mit Klavier, mit prägnantem Bassspiel (nur der Schlagzeuger wirkt manchmal ein wenig unterfordert). Conor flüstert dazu, singt inbrünstig, schwelgt in der Sehnsucht, der Liebe und schreit in grössten Schmerzen. Er lebt. Vielleicht alles inszeniert, kalkuliert, jedes schelmische Lächeln, vielleicht inszeniert, wenn er hinter dem hochgelobten Techniker, den er abschmatzt sein Gesicht verzerrt, das wird sich erst nach dem zweiten, dritten, vierten Villagers Konzert zeigen. Sofern es denn soweit kommt.

In der Schweiz ist nichts zu holen, 150? Zuhörer. Und dies mit Awayland im Gepäck, einer, vielleicht DER spannendsten Platte 2013. Schweizer, ihr habt noch viel zu lernen.

Wenn ein Lied wie „Earthly pleasures“ nicht das absolute Highlight eines Abends ist, sondern „nur“ gleichberechtigt neben anderen sich auftürmt, dann hat man es mit verschwenderischem Talent zu tun. Und der kleine Mann hat eine grosse Karriere vor sich.

-Von Urs Hösli

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