Nach „Krisha“ und „It comes at Night“ stellt der 30jährige texanische Regisseur Trey Edward Shults mit WAVES seine virtuose Regiekunst erneut unter Beweis. Der Film ist ein tiefbewegendes Drama in zwei Teilen um das Schicksal einer afroamerikanischen Familie, die an den Rand des Abgrunds gerät.
Im Mittelpunkt steht zunächst Tyler Williams (Kelvin Harrison Jr.), ein herausragender junger Mann, der kurz vor seinem Abschluss an der High School in Miami steht. Tyler scheint alles zu haben – er ist beliebt, hat viele Freunde, eine hübsche Freundin, eine scheinbar harmonische Familie. Und er ist der aufstrebende Star des Ringerteams seiner Schule, dem ein fanatischer, lauter Trainer vorsteht, der seine Schützlinge im Einklang brüllen lässt: „Niemand bringt mich zu Boden! Ich bin eine neue Maschine!“
Das kultische athletische Mantra hat etwas Gruseliges und wirkt in Kombination mit Tylers satter Selbstzufriedenheit beunruhigend. Ein früher subtiler Hinweis auf die Tragödie, die sich anbahnt.
Manchmal, wenn Tyler am Ende eines Schultages nach Hause kommt, grüßt er seine Eltern flüchtig im Vorbeigehen, bevor nach oben in sein Zimmer trabt, um seine Hausaufgaben zu machen oder zu einem Porno zu mastubieren. Er trifft sich mit seiner Freundin Alexis (Alexa Demie), donnert mit ihr in seinem Auto den Highway herunter zum Strand. Ihre Beziehung ist immer noch im Zustand euphorischer Verliebtheit. Doch wie gut kennen sie sich wirklich?
Vorerst ist Tylers eigentliches Problem sein fordernder, autoritärer Vater Ronald, der von seinem Sohn absoluten Einsatz und Höchstleistungen in der Schule und auf der Matte verlangt, während er seine Tochter Emily (Taylor Russell) ignoriert. Ronald besteht darauf, dass Tyler beim Krafttraining mitmacht. Bei einem Familienessen fordert er seinen Sohn zum Armdrücken heraus, als Tyler sich über Ronald lustig macht.
Der ruhende, ausgleichende Pol in der Familie ist Catherine (Rene Elise Goldsberry), die Stiefmutter. Sie weiß allzu gut, dass Tyler, der sich in allseitiger Aufmerksamkeit sonnt, seiner stillen, klugen und schüchternen Schwester Emily (Taylor Russell) die Luft zum Atmen nimmt, und wendet sich ihr in besonderer Weise zu.
Doch dann gibt es ernsthafte Probleme und das Bild einer harmonischen afroamerikanischen Mittelschichtfamilie bekommt hässliche Risse. Ronald nimmt Opioide gegen die Schmerzen, die ihm sein verletztes Knie bereiten. Und Tyler verbirgt vor seinem perfektionistischen Vater eine Schulterverletzung, die seine zukünftige Ringerkarriere und akademischen Ambitionen bedrohen könnte. Deshalb schleicht er sich von Zeit zu Zeit nachts ins Badezimmer und stiehlt die Medikamente seines Vaters, um seine eigenen Schmerzen zu behandeln.
Als Alexis ihm eine beunruhigende Nachricht schickt, gerät Tylers Leben außer Kontrolle und eine furchtbare Tragödie nimmt ihren Lauf, die im zweiten Teil ein paralleles Drama in Emilys Leben erzeugt und die Familie beinahe zerstört.
Trey Edward Shults Film WAVES ist eine Art Erlösungsparabel, die davon handelt, dass Menschen Fehler machen können. Wenn wir 18 Jahre alt sind, denken wir, dass wir unbesiegbar sind. Tyler und seine Kameraden rufen sich vor jedem Kampf zu, dass sie unbesiegbar sind. Eine fatale Täuschung. Doch nicht jeder hat die emotionale Stärke damit umzugehen, wenn einen das Leben zu Fall bringt.
Doch selbst diese Fehler können vergeben werden. Und zu der Erkenntnis führen, dass die Welle, die sich am Strand bricht, bald wieder in die Ruhe des Ozeans zurückkehren wird.
Ab 16. Juli in den Kinos