The Cranberries – SOMETHING ELSE

Für eine Kompilation ihrer größten Hits ist SOMETHING ELSE, das neue Album der Cranberries, ein merkwürdiger Hybrid: Einerseits enthält es die beliebtesten Songs der irischen Band, andererseits ist es, anders als die meisten Best of Alben, keine lieblose Zusammenstellung, die nur herausgebracht wird, um den Fans schnöde ins Portemonnaie zu greifen oder um irgendwelche obskuren vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Denn für SOMETHING ELSE haben sich die The Cranberries ein Streicherquartett des renommierten Irish Chamber Orchestra ins Boot geholt, mit denen sie ihre bekanntesten Hits der 1990iger Jahre rein akustisch aufgenommen haben. Außerdem haben sie sich auch ein paar neue Songs einfallen lassen.
Die Veröffentlichung von SOMETHING ELSE fällt wohl eher zufällig mit dem 25. Jahrestag der Erstveröffentlichung ihres ersten Hits „Linger“ zusammen, der ja streng genommen auch erst ein paar Jahre später mit seiner Wiederveröffentlichung zu Ruhm kam. Hört man das Original und seine neue ebenfalls auf SOMETHING ELSE enthaltene Version, wird deutlich, dass das Kernduo der Band, Dolores O’Riordan (Gesang) und Noel Hogan (Gitarre), die die meisten Songs geschrieben haben, über die Jahre enorm gereift ist und der akustischen Version eine Tiefe und Emotionalität verleihen, die dem Original abgeht. Und das gilt für die meisten Titel.
Klar, von ein paar Ausnahmen abgesehen waren die Songs der frühen The Cranberries immer einfühlsame, schlichte Meisterwerke der sanften Melancholie, die rundum gefielen. Die akustischen Neuinterpretation der meisten Songs fällt deshalb nicht besonders drastisch aus. Sie ist schön, ja. Aber eine radikale stilistische Transformation, gewiss nein.

Die Streicher veredeln den ohnehin gefühlvollen Song „Linger“, der jetzt noch anmutiger klingt. „Dreams“ kommt in seinem neuen orchestralen Gewand noch verträumter rüber. Und das zarte, empfindsame Stück „Ode to My Family“ geht noch ein Stück tiefer unter die Haut, verleiht auch wegen des neuen stilistischen Arrangements dem Text ein größeres emotionales Gewicht.
Die große und leider auch enttäuschende Ausnahme auf SOMETHING ELSE ist der Aufmerksamkeitserreger von einst: „Zombie“, der wuchtige, energiegeladene Wutschrei über Terror und Gewalt des blutigen Nordirlandkonfliktes vom Album NO NEED TO ARGUE aus dem Jahre 1994, unterscheidet sich in seiner akustischen Version erheblich vom Original, verliert aber andererseits auch an Kraft und düsterer Ausdrucksstärke, die der Titel ursprünglich hatte.
Die neuen Songs auf SOMETHING ELSE wiederum fügen sich harmonisch in die gediegene Atmosphäre des Albums ein: „The Glory“ verströmt schiere Glückseligkeit; Klavier und Streicher verschönern die düsteren Töne des Songs „Rupture“ und der zarte, ergreifende Song „Why“, mit dem das Album schließt und den O’Riordan kurz nach dem Tod ihres Vaters geschrieben hat.

Foto: BMG

Standardbild
Hans Kaltwasser
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