Tanita Tikaram „Closer to the People“

1988 verspottete die britische Presse Tanita Tikaram gelegentlich als mürrischen Teenager, der mit seltsam dunkler Stimme unverständliche Texte sang und schwarze Strumpfhosen trug. Die Fans hat’s nicht gestört und nicht davon abgehalten, ihr Debütalbum „Ancient Heart“ zu einem Million-Seller zu machen, der weltweit wochenlang in den Charts war und großartige Songs wie „Twist in My Sobriety“ und „Good Tradition“ enthielt. Doch dann wurde es still um die in Deutschland geborene Britin, die lange Zeit nicht mehr an die frühen Erfolge ihrer Karriere anknüpfen konnte, obwohl sie weiterhin gute Alben machte.
Nach vierjähriger Pause meldet Tanita Tikaram sich jetzt mit ihrem neuen, heute erscheinenden Album Closer to the People zurück, zu dem sie sich durch die Lektüre einer Biografie über die US-Jazzsängerin Anita O‘ Day hat inspirieren lassen. Zwei Dinge, die unmittelbar positiv auffallen: Erstens, Tanita Tikarams dunkle eindrucksvolle Stimme klingt geheimnisvoll wie eh und je. Manchmal tönt sie luftig und sanft und erzeugt eine warme, intime Stimmung. Dann wiederum ist sie von einer bedrückenden melancholischen Schwere, die unter die Haut geht. Zweitens, auch das Talent zum exzellenten sensiblen Songwriting mit enigmatischen Texten hat die Britin nicht verloren. Die zehn im Jazz, Blues und Pop wurzelnden Songs über unstillbares Verlangen, Begegnungen an magischen Orten, die Sehnsucht nach Freiheit, die Angst vor dem Verlassenwerden und andere Themen sind mit Piano, Klarinette, Saxophon, Gitarre und Doppelbass gekonnt effektvoll arrangiert und überzeugen durchweg auch mit guter akustischer Qualität. Vor allem über Kopfhörer gehört, schälen sich kleinste liebevolle musikalische Details heraus, die das Album zu einem vorzüglichen, spannenden und stimmungsvollen Werk machen.
Schon der Opener Glass Love Train gefällt als unbeschwerter melodischer Uptempo-Popsong, der um einen einfachen repetitiven hypnotischen Pianoriff herum gebaut ist. Treibende Streicher, die wirbelnde mit Jazzbesen bearbeitete Snaredrum und eine vorlaut pulsierende Klarinette instrumentieren facettenreich das Thema eines dahin rasenden Zuges, in dem die Sängerin über die Liebe nachdenkt, wobei die rasch vor ihren Augen wechselnden Landschaften unterschiedliche Emotionen, Stimmungen und Erinnerungen bei ihr erzeugen.
Der Song Food on My Table kombiniert raffiniert langsame Grooves, Gospel-Vibes mit klassischen bluesigen Klavierakkorden und getragenen Bläsersätzen, die das Fundament für Tinata Tikarams gefühlvollen Vokalpart legen. Schöne Akzente setzt Martin Winning hierbei mit seinem satt schnarrenden Saxophon-Solo, das für viel Gänsehaut sorgt.
Der Song The Way You Move versprüht mit seinen Salsa-Klängen viel lateinamerikanischen Charme, die den Zuhörer automatisch mit den Fußspitzen wippen lassen, wenn er sich nicht schon auf die Tanzfläche traut.
Der exotische geheimnisvolle Track Gris Gris Tails eröffnet mit einer melodischen Basslinie, mischt verschiedene Stile und gefällt mit einer schwer zu bändigenden Klarinette.
The Dream of Her ist wiederum ein von Soul und Gospel inspirierter Song, der mit melodischem Bass und gestrichenem Cello glänzt, während der Titel Night is a Bird mit seinem fetten Saxophon-Solo die schwitzende Atmosphäre eines Jazzclubs der 60ziger Jahre atmet.
Fazit: Tanita Tikaram hat ihre Fans zwar vier lange Jahre warten lassen, doch das Warten hat sich gelohnt. Mit Closer to the People legt sie ein exzellentes Album vor, das sehr individuell ist, nicht nach kommerziellen Erfolg schielt, keinen Filler hat und an die hohe Songwriting-Qualität ihrer musikalischen Anfänge mühelos anknüpft. Autor: Hans Kaltwasser

fOTO. Kurt-Stallaert
fOTO. Kurt-Stallaert

Tanita Tikaram mit stimmungsvollem Konzert in der Berliner Passionskirche
Am vergangenen Montag trat Tanita Tikaram mit ihrer Band in der Passionskirche auf. Für uns Berliner ein schöner und bewährter Veranstaltungsort. Hier haben schon viele außergewöhnliche Künstler*innen ihren Auftritt gehabt.
Im roten Hosenanzug und schwarzen T-Shirt betritt die britische Singer-Songerwriterin die Bühne und mit ihr ihre Band, ebenfalls in Rot-Schwarz angezogen, nur in umgekehrter Reihenfolge. Tanita freut sich über die randvoll besetzte Kirche und, um das schon gleich einmal vorwegzunehmen, die Fans hatten ebenfalls allen Grund, sich ihrerseits zu freuen, denn sie gab ein wirklich schönes Konzert, das sie gleich mit dem Stück „Glass Love Train“, dem Opener ihres neuen Albums „Close to the People“ eröffnet und das genauso stimmungsvoll und fetzig klingt wie auf dem Album. Der zweite Song „Dust in my Shoes“ stammt von ihrem Album „Can’t Go Back“ aus dem Jahr 2012. Ein schönes Lied, bei dem ein starkes Gefühl nach Freiheit spürbar wird. Es folgen weitere Songs ihres neuen Albums wie „Closer to the People“, das merkwürdig exotisch klingende „Gris Gris Tails“ und der Bluessong „Food on the Table“. Besonders gut gefiel mir der Song „Cool Waters“. Dass sie einmal Rockstar werden wollte, erzählt sie dann etwas später und liefert gleich den entsprechenden Song „Rock ‚n Roll“. Und jetzt erklärt sich mir auch, warum sie, wenn sie die Akkorde auf ihrer Akustikgitarre schlägt, diese typischen Rock ,n‘ Roll Schritte macht.
Natürlich durfte auch ihr Monsterhit „Twist in My Sobriety“ aus dem Jahre 1988 nicht fehlen, den sie eindringlich mit viel Bruststimme vorträgt und der beim Publikum für viel Gänsehaut sorgt.
Und als Tanita Tikaram dann noch erzählt, sie habe auch einmal Tänzerin werden wollen, sammelt sie bei mir noch mehr Punkte, vor allem, weil dann der traumhafte, temperamentvolle Latino-Song „The Way You Move“ folgt.
16 Stücke singt Tanita insgesamt, zu denen sie sich zumeist auf der Gitarre, bei manchen Songs auf dem Klavier begleitet. Natürlich darf ihre exzellente Band nicht unerwähnt bleiben, die das solide musikalische Fundament für Tanitas Songs lieferten. Angie Pollock (Klavier, Keyboards), Matt Rodford (Doppelbass), Oliver Darling (E-Gitarre) und Martin Winning (Saxophon, Klarinette) hatten ihren Anteil an einem großartigen und stimmungsvollen Konzert in einer schönen Location. Mit den zwei Zugaben „Wooden Heart“ („…The only German Song I know…“) und „Valentine Song“ entlässt sie uns in die Nacht. Das Berliner Publikum dankt ihr mit großem Beifall. Autorin Ingrid Mosblech-Kaltwasser

TANITA TIKARAM „CLOSER TO THE PEOPLE“-Tourdaten

03.03.16, Köln, Kulturkirche (GER)
04.03.16, Celle, CD Kaserne (GER)
05.03.16, Stollberg, Bürgergarten (GER)
07.03.16, Berlin, Passionskirche (GER)
08.03.16, Wolfenbüttel, Kuba Halle (GER)
09.03.16, Leipzig, Schaubühne (GER)
11.03.16, Dresden, Tante Ju (GER)
12.03.16, Erfurt, Alte Oper (GER)
13.03.16, Bad Eilsen, Palais im Park (GER)
15.03.16, Darmstadt, Centralstation (GER)
16.03.16, Zürich, Kaufleuten (CH)
17.03.16, Wörgl, Komma (AT)
19.03.16, Gleisdorf, Forum Kloster (AT)
20.03.16, Stuttgart, Im Wizemann (GER)
21.03.16, Mannheim, Capitol (GER)
24.03.16, Paris, New Morning (FR)
26.03.16, St. Arnold en Yvelines, Jazz à toute heure (FR)
01.04.16, Milan, Blue Note (IT)
02.04.16, Milan, Blue Note (IT)
04.04.16, Utrecht, TivoliVredenburg (NL)
05.04.16, Antwerp, De Roma (BE)
07.04.16, Wien, Akzent Theatre (AT)
08.04.16, Bayreuth, Zentrum (GER)
24.05.16, Frankfurt, Alte Oper-Mozart Saal (GER)

Tourneeveranstalter: www.assconcerts.com

Foto:Tanita-Tikaram-photocredit-Kurt-Stallaert-

Standardbild
Hans Kaltwasser
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