Zunächst sind die hypnotisierende, facettenreiche Stimme des belgisch-ägyptischen Musikers Tamino und der vorsichtige Aufbau der akustischen Gitarre in dem Musikvideo „Babylon“ im langsamen Tempo zu hören. Es wurde heute veröffentlicht und kündigt sein drittes Album „Every Dawn’s a Mountain“ für den 21. März 2025 an. Fans des Musikers kennen den Song vielleicht schon, denn „Babylon“ war in diesem Sommer in Taminos Festival-Set enthalten. Der Track dauert gleich sechs Minuten, schwillt in der Mitte dramatisch an und endet mit einer urbanen Geräuschkulisse. Er enthält im Text poetische Anspielungen auf die heutige Situation moderner Städte, wenn Tamino singt:
Babylon, day comes the vultures devour you
Baring the rot in your gardens
And I’ll be coating my treasures in fire
So none but the damned may prize them
They’re all I leave behind
Oh were they even mine
So is it our time that’s hollow
Or is it my chest
Why does my heart not follow
Her to the end
„Babylon“ nimmt mit auf eine sechsminütige epische und explosive Reise und ist ein erster und sehr eindrucksvoller Vorgeschmack auf „Every Dawn’s a Mountain“. Tamino bezeichnet den Song als „Eckpfeiler“ des neuen Albums, das sich während der Zeit, die er in Brüssel, New Orleans und New York verbracht hat, weiterentwickelt hat – drei monumentale Städte, jede für sich ein modernes Babylon.
„Babylon“ streamen
Anmerkungen des Regisseur BASTIAAN LOCHS zum Video
Es fällt mir sehr schwer, über dieses Live-Musikvideo für Babylon zu schreiben, denn obwohl es das minimalistischste Video ist, das Tamino und ich bisher zusammen gedreht haben, war die Erfahrung, es zu drehen, sehr tiefgreifend. Jetzt darüber zu schreiben, fühlt sich an, als würde man das Abenteuer trivialisieren. Was im Bild dieser einen Aufnahme nicht zu sehen ist, sind die endlosen Spaziergänge durch das Netz der New Yorker Straßen, die mäandernden Gespräche, die Auseinandersetzung mit dem Sinn des Ganzen, die zahllosen Telefonate im Ausland, die Beziehungen, die kamen und gingen, und wie sich Freundschaften und Familienbande entwickeln, wenn ein Ozean zwischen ihnen liegt. Das Video ist minimalistisch, weil es für uns die einzige Möglichkeit war, all das zu zeigen, ohne etwas davon zu zeigen. Um die Seele des Songs und seines Künstlers zu enthüllen, mussten wir die Szene auf ihren nackten Kern reduzieren: einen Mann und eine Stadt.(…..)
New York ist die Figur, mit der Tamino zu sprechen scheint, oder vielleicht ist mir dieses Hin und Her zu bewusst geworden, weil ich selbst noch in Belgien lebe. Aus der Ferne bemerkte ich, wie seine neue Heimat ihn allmählich veränderte. Sie zwang ihn, noch mehr er selbst zu sein, als er es ohnehin schon war. Das spüre ich auch bei mir, wenn ich zu Besuch bin. Es ist, als ob man in New York nichts zu verbergen braucht. Die Stadt beschützt dich mit ihrer Anonymität. Sie lässt dich in Ruhe, damit du ganz du selbst sein kannst, unbelastet vom Alltag, vom Immer-dabei-Sein, vom Was-ist-das-Gesicht.
Am Morgen vor Beginn der Dreharbeiten lag ich im Morgengrauen hellwach im Bett und war frustriert, weil ich nicht schlafen konnte. Ich kroch aus dem Bett und zwang mich, einen Morgenspaziergang zu machen. Schläfrig stolperte ich über einen Artikel in der Zeitschrift New Yorker aus dem Jahr 2022 über Edward Hopper, einen der vielen Künstler, die von dieser Stadt angezogen wurden. Der folgende Auszug aus dem Artikel fasst dieses Gefühl, das ich zu beschreiben versuche, besser zusammen, als ich es kann:
„Unser bestes Leben in dieser Stadt besteht darin, unsichtbar an allzu sichtbaren Orten zu sein, übersehen zu werden, während andere hinschauen, und allein gelassen zu werden, um unser geheimes Selbst zu werden.“