Die neue EP des Sängers, Songwriters und Produzenten Brian Fennell aka SYML „DIM“, bietet mit seinen fünf Songs eine vielfältige Musikquelle. Vom sanft eröffnenden „Stay Close“ voller Melancholie und Verzweiflung, über das funkelnde „Black Teeth“, bis hin zu einem faszinierenden „True“ in seiner akustischen Spannung zwischen elektronischen Beats und analoger Musik, die den Zuhörer in eine Parallelwelt aus sanften und zarten Farben entführt. Die verbleibenden zwei Tracks, „Yes and Know“ und der Titelsong „DIM“ bleiben in dieser Klangwelt, schweben zwischen Klavierpassagen und perfektem Gesang.
Musik, die trotz der Themen Verlust und Trauer nicht einlullt, sondern zum aktiven Zuhören einlädt. So bescheren die Songs Momente voller kreativer Pop-Musik und vielleicht auch Trost ind schwierigen Zeiten.
Musikvideo: SYML „STAY CLOSE“
SYML “DIM” (EP)
VÖ: 16.04.21
Label: Nettwerk Music Group
Im folgenden Gespräch über DIM geht Fennell näher auf die Inspirationen ein, die die Songs geformt haben. Außerdem spricht er über den Wachstums- und Heilungsprozess, für den die EP steht und wieso er sie als eines der erfüllendsten Projekte seiner bisherigen Karriere betrachtet.
Der Titelsong „DIM” ist zu gleichen Teilen wunderschön und tragisch und die Worte „kiss me goodbye in the morning/I´m with you, always” spielen direkt auf die Themen Liebe und Verlust an, die den gesamten Entstehungsprozess begleitet haben. Bei welchem Song ist dir das Schreiben am schwierigsten gefallen?
Ich habe vor etwa zwei Jahren angefangen, „DIM” zu schreiben. Ich bin über Island geflogen und erinnere mich daran, dass Olafur Arnalds diese wirklich schöne Dokumentation gemacht hat, in der er mit anderen isländischen KünstlerInnen an verschiedenen Orten des Landes zusammengearbeitet hat. Eine davon war Nanna Bryndís Hilmarsdóttir, die Sängerin von Of Monsters And Men, mit der er an einem Leuchtturm war. Es ist die bewegendste Performance. Ich dachte mir: „Ich möchte mich in diesen Leuchtturm setzen und dort einen Song schreiben!“ Gleich danach habe ich mit „DIM“ angefangen, doch es blieb liegen, weil ich wirklich nicht wusste, wovon es handelt. Als ich es dann einem Freund zeigte, sagt er: „Ich liebe es – ich glaube, du musst mir die Geschichte erzählen.“ Die Geschichte dreht sich um einen Autounfall, der mit etwas zu tun hatte, das nicht deine Schuld war. Du konntest nichts tun, um dich besser darauf vorzubereiten – du hast einfach die normalen Sicherheitsvorkehrungen getroffen, die wir alle kennen. Aber wenn einem dann tatsächlich etwas passiert, geht es in dem Fall weniger um die Schuld der Überlebenden, sondern eher darum, wie man etwas verarbeitet, das jemand anderem passiert ist und nicht einem selbst, obwohl man dabei war. Das war der Punkt, an dem ich beschlossen habe, das „Licht” metaphorisch zu ehren. Erst nachdem mich dieser enge Freund dazu aufgefordert hat, den Song neu zu schreiben, wurde etwas daraus.
Du bist in deiner Musik familiären Beziehungen schon zuvor textlich auf den Grund gegangen: Dein Sohn und deine Tochter inspirierten Songs auf deinem Debütalbum und du hast darüber geschrieben, was das Vater-Sein für dich bedeutet. War das ähnlich wie jetzt auf DIM oder ging es nun in eine andere Richtung?
Als es mit den Liedern über meine Kinder losging war es mehr wie: „Oh mein Gott, du bist jetzt hier! Was soll ich mit dir machen? Was bedeutet das für mich und mein Leben, jetzt wo du hier bist?”. Die neuen Songs sind anders. Es geht nicht um meine Kinder, aber über Familienmitglieder und Freunde. Die Message dahinter ist eher: „Du bist nicht hier! Du verlässt mich und ich kann nichts dagegen tun – was soll ich jetzt machen?” Ich habe oft versucht, mir das Schlimmste vorzustellen, damit ich anfangen kann, es zu verdauen. Wahrscheinlich ist das eine Art Selbstverteidigungsmechanismus. Jetzt, wo es tatsächlich passiert, ist es natürlich eine andere Hausnummer und sehr fordernd. Ich schrieb „Girl” damals für meine Tochter, nachdem sie eine lebensgefährliche Operation hinter sich hatte. Das war eine Situation, in die ich mich hineinversetzen konnte und ich konnte mit ihr darüber sprechen und es ihr erklären. Auf „STAY CLOSE” singe ich die Zeile: „I´ve lost my faith, but I know that it´s too soon for your life to end.” Ich habe nicht mehr das Vertrauen in etwas „Größeres”. Das loslassen zu können und stattdessen die kalte Leere zu akzeptieren war eine verrückte Erfahrung, sowohl als Vater als auch als Künstler. Das Lied über meine Tochter handelte von dieser Erfahrung für sie und für mich, doch kann für die HörerInnen etwas ganz anderes bedeuten. Das ist das Besondere daran, Songs zu veröffentlichen. Ich bin gespannt, wie die Leute sie aufnehmen und sich zu eigen machen werden.
Auf DIM hast du zum ersten Mal produktionsseitig mit jemandem zusammengearbeitet: Zum einen den Produzenten Paul Meany (u.a. Twenty One Pilots) und zum anderen den Mixing Engineer Joe Visciano (u.a. SZA, Earl Sweatshirt). Was konnten die beiden kreativ aus dir rausholen?
Kollaborationen können, vor allem digital, einige unerwartete Überraschungen hervorbringen. Voraussetzung dafür ist natürlich eine gewisse Vertrauensbasis und die Überzeugung, dass die Kunst besser wird, wenn man sie jemand anderem gibt, der sie aufstückelt und wieder zusammensetzt. Das hatte ich bei Paul sofort. Da ich schon seit ein paar Jahren ein Fan von ihm bin, vertraute ich seinen Ohren und seiner Kreativität. Einer der Gründe, wieso ich bis jetzt nicht viele Kollaborationen gemacht habe, ist, dass meine Lieder und Produktionen für mich etwas sehr Persönliches sind. Außerdem ist es als Künstler fast eine Beleidigung, wenn man denkt, dass jemand anderes das, was man macht, besser machen könnte als man selbst. Leute wie Paul und Joefungieren als Spiegel und nicht als Abrissbirne. Sie erlauben mir, zusätzliche Perspektiven auf meine Songs und den Kreativprozess zu haben und das macht letztlich beides besser. Wenn man mit solchen Menschen zusammenarbeiten darf, verspürt man sowohl Aufregung als auch Demut.
Was lernen Menschen, die dich durch „Where´s My Love” kennengelernt haben und jetzt DIM hören, über dich als Songschreiber und Interpreten?
„Where´s My Love” und meine frühen Songs sind sehr schlicht und das ist nicht das, was wir von Popmusik gewohnt sind. Auf dieser EP gibt es Momente, in denen ich einige Grenzen, bezogen auf digitale Produktion, neu ausloten konnte und das beeinflusst dann wiederum das Songwriting. Ich glaube nicht, dass ich mich für alle Songs auf dieser Platte einfach mit einer Gitarre hinsetzen könnte. Die Lieder sind abhängiger von der Produktion und die ist wiederum mit dem Songwriting verbunden. Es hat Spaß gemacht, auf diese Weise etwas die kreativen Muskeln spielen zu lassen. Andererseits ist ein Song wie „STAY CLOSE” wahrscheinlich eines der poppigsten Lieder, das ich je geschrieben habe. Die fünf Titel sind aber natürlich nicht zufällig auf der EP gelandet, sondern stehen alle für eine etwas dunklere, elektronische Seite von SYML und fühlen sich deswegen zusammen richtig an.
Wieso wolltest du die EP mit „STAY CLOSE” eröffnen?
Es ist definitiv der Song, der am zugänglichsten und kraftvollsten ist, wenn man mich und meine frühere Musik kennt. Außerdem ist es der Song, der textlich am ergreifendsten ist. Mir gefiel die Idee, dass er als Einstieg in die EP ein bisschen wie ein Trojanisches Pferd funktioniert. Ich wollte die Menschen nicht mit der Traurigkeits-Keule überfallen. Ich weiß nicht, ob das richtig oder falsch war, aber es war nicht das, was ich tun wollte.
Du musstest während der Entstehungsphase der EP einen schwierigen Verlust verkraften und es fiel dir nicht leicht, durchzuziehen. War DIM die Katharsis, nach der du gesucht hast?
Ja. Es ist interessant, dass die EP erscheint, während ich immer noch sehr mit den Themen beschäftigt bin. Ich glaube, das ist okay und dass es wie eine Therapie für mich ist. Ich habe gesunde Beziehungen in meinem Leben, doch in der Lage zu sein, Songs zu schreiben, die so brutal ehrlich sind, ist eine unglaublich erlösende Therapieform. Ich kann dadurch unterschiedliche Perspektiven betrachten, ohne dass ich einen anderen Menschen spielen muss und dadurch fällt es mir leichter, manche Dinge auszusprechen. Das ist für mich hilfreich – meine persönliche Herausforderung ist natürlich nicht damit beendet, dass ich einen Song darüber schreibe, sondern ich muss ständig daran arbeiten.
Dein Name SYML bedeutet „einfach”. Inwiefern konntest du mit DIM die Simplizität für SYML neu definieren?
Normalerweise muss ich etwas, das super schlicht und nur eineinhalb Minuten lang ist in mehr verwandeln, dass ein richtiger Song daraus entsteht. Auf DIM waren alle Lieder direkt sehr lang. Ich glaube es gab durchaus einige Einfachheits-Übungen, die ich durchmachen musste. Dabei haben mir die Kollegen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, sehr geholfen. Wenn man jemandem, dem man vertraut, etwas zeigt, bekommt man etwas zurück und kann eine ganz andere Reflexion davon sehen. Das war also eine tolle und neue Übung in Sachen Simplizität.
Foto: Jesse Morrow