SORDA – Der Klang der Welt

In dem subtilen und genau beobachteten Drama SORDA – DER KLANG DER WELT der spanischen Regisseurin Eva Libertad wird die Ehe zwischen einer gehörlosen Frau und ihrem hörenden Mann durch ihre frischgebackene Elternschaft auf eine schwierige Belastungsprobe gestellt.  

Angela (Miriam Garlo), eine gehörlose Töpferin, lebt glücklich verheiratet mit ihrem Mann Héctor (Alvaro Cervantes) im ländlichen Spanien. Beide kommunizieren hauptsächlich mithilfe der Gebärdensprache. Als Angela schwanger wird, zeigen sich kleine Risse im Fundament ihres Glücks. Angelas gehörlose Freundinnen drücken ihre Freude begeistert in der Gebärdensprache aus und erzählen warmherzig von ihren eigenen Schwangerschafts- und Geburtsproblemen. Doch wenige Minuten bevor Angela ihren Eltern offenbart, dass sie schwanger ist, erwähnt ihre hörende Mutter (Elena Irureta) beiläufig, dass das Leben für das junge Paar ohne Kinder wohl besser sei. Gehörlosigkeit hält sie offensichtlich für eine zu große Belastung.

Nach einer schwierigen Geburt ist Angela sichtlich deprimiert und mit ihrer Mutterrolle überfordert. Sie hat Probleme, genügend Muttermilch für ihre kleine Tochter Ona zu produzieren. Außerdem ist kurz nach Onas Geburt zunächst noch unklar, ob das Baby selbst gehörlos ist. Als das Paar schließlich erfährt, dass Ona gut hören kann, ändert sich die Stimmung und es entsteht eine Kluft innerhalb der Familie. Es ist so, als würde ein unsichtbarer Vorhang zwischen ihrem Baby und Angela fallen.

Genau darin liegt die emotionale Kraft der Geschichte. Ángela würde ein taubes Kind bevorzugen, damit es Teil der Gehörlosen-Community sein kann. Héctor dagegen möchte ein hörendes Kind, damit es leichter Teil der Gesellschaft sein kann. Der Film nutzt geschickt diese Konflikte, um die Ängste von Eltern in einer diskriminierenden Gesellschaft zu untersuchen, die weitgehend ignoriert, wie Menschen mit Behinderungen leben.

Héctor, der sich als liebenswerter, unterstützender Partner und Vater erweist, übernimmt stillschweigend mehr Aufgaben in der Kindererziehung. Doch zu Angelas Entsetzen vergisst er manchmal, mit Ona in der Gebärdensprache zu kommunizieren, wodurch er die Gebärdensprache unbewusst in den Hintergrund drängt und Angela ausgrenzt. Die kleinen Kränkungen oder Missverständnisse häufen sich, türmen sich zu einem großen Problem auf, bis das Paar kaum noch miteinander spricht.

In einem entscheidenden Moment, in dem der Zuschauer möglicherweise denkt, dass Angela ein wenig zu empfindlich auf die vermeintlichen kleinen Aggressionen in ihrer Umgebung reagiert, dreht der Film den Ton herunter, sodass wir plötzlich die Welt so hören, wie sie die Protagonistin erlebt. Es ist eine Klanglandschaft, die abwechselnd gedämpft, aber seltsam friedlich ist, dann wieder unerträglich schrill und quietschend, wenn Angela versucht, das von ihr verhasste Hörgerät zu tragen.

Der Film SORDA – DER KLANG DER WELT basiert auf dem gleichnamigem Kurzfilm der spanischen Regisseurin Eva Libertad aus dem Jahr 2023. Er legt großen Wert auf die Authentizität seiner Figuren und ihrer Erfahrungen und zeigt eindrucksvoll, wie Kino Empathie wecken kann. Die Zuschauer müssen dabei sicherlich nicht selbst gehörlos sein, um zu verstehen, was Angela durchmacht. Alle Darsteller, eine Mischung aus Hörenden und Betroffenen, zeigen durchweg eine wunderbar nuancierte Leistung ab, allen voran die gehörlose Miriam Garlo in der Rolle der Angela.  

© Distinto Films

Hans Kaltwasser
Hans Kaltwasser
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