Laut Gerichtsbeschluss vom Jahre 1971 soll der Benachteiligung schwarzer Schüler*innen ein Ende mit der Maßnahme gesetzt werden, künftig schwarze Kinder mit Bussen in weiße Schulen zu bringen und vice versa Zum Schuljahresbeginn im September 1974 soll in Boston dieser Gerichtsbeschluss umgesetzt werden. Mary Pat Fennessy lebt mit ihrer 17-jährigen Tochter Jules im irischen Viertel Commonwealth im Süden Bostons und eines ist ehernes Gesetz für sie, ihr Leben spielt sich hier in Southie ab. Es ist ihr Viertel, in dem sie mehr oder weniger gut mit ihren Nachbarn auskommt. Und klar ist auch, dass sie an der Demonstration teilnehmen wird, die den Politikern deutlich machen soll, dass sie gegen diese Justizdiktatur sind und ihre Kinder davor schützen wollen, in einem schwarzen Viertel zur Schule gehen zu müssen.
Ihre Tochter Jules sieht das Ganze weitaus entspannter. Sie fragt sich vielmehr, ob so ein Leben wie ihre Mutter es führt, die zwei Ehen hinter sich und einen Sohn an Drogen verloren hat, alles ist, was sie erwarten kann. Sie will mehr. Und eines Abends wartet ihre Mutter vergeblich darauf, dass ihre Tochter nach Hause kommt.
Mary Pat fragt bei Freundinnen und Bekannten nach, doch sie erhält immer die gleiche Antwort, ihre Tochter hätte sich um Mitternacht zu Fuß nach Haus begeben. Doch Mary Pat bemerkt, dass ihr nicht die Wahrheit gesagt wird. Marty Butler beherrscht ihr Viertel und hat die Gemeinschaft fest im Griff. Seine Macht und sein Geld verdankt er dem Drogenhandel, der Prostitution und anderen kriminellen Machenschaften. Währenddessen hat der Tod eines jungen Schwarzen die politische Situation aufgeheizt und Schlagzeilen darüber beherrschen die Medien. Vier weiße Jugendliche sollen dafür verantwortlich sein. Als Mary Pat erfährt, dass ihre Tochter dabei war, glaubt sie es zunächst nicht. Und wenig später hat sie Gewissheit, ihre Tochter Jules ist tot.
Sie ist sicher, dass Marty davon weiß und mehr noch seine Hände dabei im Spiel hat. Sie ist wie betäubt. Doch schnell verwandelt sich ihr Schmerz über den Verlust ihrer Tochter, die ihrem Leben noch Sinn gegeben hatte, in Wut. Sie will Rache, selbst wenn sie dabei ihr Leben verliert. Sie ist eine Kämpferin und kennt keine Gnade …
Dennis Lehane erzählt in seinem Roman „Sekunden der Gnade“ von einem historischen, aber mangelhaften Versuch, die Rassentrennung in öffentlichen Schulen von Boston aufzuheben. Und vom Kampf einer Mutter. Wie bereits in seinen vorherigen Romanen gelingt ihm eine authentische Erzählsprache und eine spannende Story, die Leser*innen von der ersten bis zur letzten Seite mitreißt. Eine unverzichtbare Lektüre!
Sekunden der Gnade – Dennis Lehane
Aus dem amerikanischen Englisch von Malte Krutzsch
Hardcover Leinen
400 Seiten
erschienen am 23. August 2023 bei Diogenes
978-3-257-07258-7
Dennis Lehane, irischer Abstammung, geboren 1965 in Dorchester, Massachusetts, schrieb für ›The Wire‹ und war Creative Consultant für ›Boardwalk Empire‹. Er unterrichtet Creative Writing u.a. in Harvard. Seine erfolgreich verfilmten Bücher ›Mystic River‹ und ›Shutter Island‹ sind Weltbestseller. Dennis Lehane lebt in Kalifornien und Boston. Er hat zahlreiche Auszeichnungen für seine Werke erhalten.