Scheintod von Eva Demski

1974 – Seit drei Jahren leben sie schon getrennt, doch die Nachricht über den Tod des Mannes trifft sie heftig. Der Anwalt wird im Alter von nur 30 Jahren tot in seiner Kanzlei aufgefunden. Die Umstände seines Todes sind ungeklärt, denn so ohne Weiteres stirbt man nicht in diesem jungen Alter, auch Asthma, an dem der Mann litt, ist nicht der Grund. So bringt man seinen Körper in die Gerichtsmedizin. Immer muß die Frau nun an diesen Körper denken, was mit ihm passiert. Indes wird ihr bewusst, dass sie ihren Mann nicht wirklich gekannt hat. Was sie kennt, ist seine politische Überzeugung, seine Einstellung einem System gegenüber, dem er als Anwalt nur wenig entgegenzusetzen hatte, und doch profitieren kleine Gauner, Hausbesetzer und Linke von seinem anwaltlichen Engagement. Das alles weiß die junge Witwe, auch, dass er Kontakte zur RAF hatte. Mehrmals war er Handlanger und Vermittler für die Gruppe, und es hatte sie oft geärgert, dass er immer im Unklaren darüber gelassen wurde, welche konkreten Taten daraus folgen sollten. Soll sie nun sein Erbe antreten? Prompt gerät sie in das Visier der Polizei.
Zudem sind da noch die Jungen, seine Liebe zu ihnen, eine andere Liebe als zu ihr. Eine Welt, die seinen Durst nach Überhöhung und Glanz stillen sollte.
Sie macht sich auf, diese Nachtwelt in Frankfurt zu erkunden. Doch statt mehr über ihren Mann zu erfahren, wird ihr Bild von ihm immer verschwommener. Auch in dieser Szene war er nicht fassbar, seine Konturen undeutlich – Anarchist, Rebell, Katholik, Geliebter und Menschenfreund.

Ein faszinierendes Buch über die Trauerarbeit einer Frau in politisch unruhigen Zeiten, die so lange dauert, bis der Mann unter der Erde ist und die Frau ihre Suche nach der Identität des Mannes, beendet: zwölf Tage. Mit distanzierter Gelassenheit lässt die Autorin den Leser in das Innere der Menschen schauen, die ihr kleines Leben an die große Idee einer weltverändernden Revolution hefteten, und berührt dennoch zutiefst. Sehr empfehlenswert! IMK

 

Scheintod
Autorin: Eva Demski

Erschienen: 14.04.2014
Gebunden, 399 Seiten
ISBN: 978-3-458-17593-3
Auch als eBook erhältlich
Verlag: Suhrkamp Insel

Eva Demski, geboren 1944 in Regensburg, lebt in Frankfurt am Main. Ihr literarisches Werk wurde vielfach ausgezeichnet, 2008 erhielt Eva Demski den Preis der Frankfurter Anthologie

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Ingrid
Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen. Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.
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