Die gottverlassene Provinzstadt Ostrog hat ein Kinderheim und ein Gefängnis. Keine Gebäude, die eine Stadt attraktiv machen, aber längst nicht die einzigen Gründe, warum Ostrog kein lebenswürdiger Ort ist. So hängt immer noch das Wahlplakat des ehemaligen Bürgermeisters mit dessen Konterfei verlassen an einer verfallenen Häuserwand. Und eine Trostlosigkeit übertrifft die andere. Plötzlich wird die Stadt von einer unheimlichen Suizidserie mehrerer Jugendlichen des Kinderheims aus ihrem Trott gerissen. Die örtliche Polizei wird schnell durch Kommissar Alexander Koslow aus Moskau ergänzt, denn die Fälle sollen zügig aufgeklärt werden. Koslow kennt den Ort und er ist ihm verhasst. Vor einiger Zeit hat er den hiesigen Bürgermeister hinter Gittern gebracht. Seine persönlichen Probleme aber belasten Koslow. Immer noch ist er nicht über die Trennung von seiner Frau hinweggekommen.
Petja, ein ehemaliges Waisenkind aus dem Kinderheim, ist nun alt genug, sein eigenes Leben zu führen. Damit eckt er jedoch ständig an. Er ist sensibel, gutmütig und hat ein Herz für die Natur. Seine Jobs verliert er jeweils nach einem Monat, nur in der Wattestäbchenfabrik gefällt es Petja, denn da stört er niemanden und kann seinen Gedanke nachhängen. Doch für die Provinzpolizisten scheint er der geeignete Täter zu sein. Und Petja wird kurzerhand verhaftet.
Koslow hat jedoch eine ganz andere Theorie und glaubt nicht an Petjas Schuld. Aber warum geriet der Junge damals derart außer sich, als der Bürgermeister von Ostrog den Heimkindern einen Griechenland-Urlaub spendieren wollte? Koslow ist mittlerweile genervt, die Zeit läuft ihm davon. Dann geschieht ein weiterer Suizid und der Kommissar hat endlich eine Idee und weiß, dass das Glück ein kurzes Abenteuer ist und wie der Schatten einer offenen Tür…
Erneut gelingt es dem Autor Sasha Filipenko in seinem Buch „Der Schatten einer offenen Tür“ über sein Heimatland zu schreiben und Fakten und Fiktion zu einem höchst dramatischen Roman zu verbinden. Da wo Gleichgültigkeit, Korruption und Hoffnungslosigkeit herrscht, ist Verzweiflung nicht weit und der Wille, in diesem Land nicht mehr leben zu müssen. Denn der menschliche Verstand kann dem Irrsinn nichts anhaben und darum bleibt vielen Menschen nur die endgültige Flucht. Ein beeindruckender Roman, der auf brillante Weise vom Leben der Menschen abseits von Moskau erzählt.
Sasha Filipenko Der Schatten einer offenen Tür
Roman, aus dem Russischen von Ruth Altenhofer
272 Seiten
978-3-257-07159-7
Verlag: Diogenes
Sasha Filipenko, geboren 1984 in Minsk, ist ein belarussischer Schriftsteller, der auf Russisch schreibt. Nach einer abgebrochenen klassischen Musikausbildung studierte er Literatur in St. Petersburg und arbeitete als Journalist, Drehbuchautor, Gag-Schreiber für eine Satireshow und als Fernsehmoderator. Sein Roman ›Die Jagd‹ war ein ›Spiegel‹-Bestseller. Sasha Filipenko ist leidenschaftlicher Fußballfan und wohnte bis 2020 in St. Petersburg. Er musste mit seiner Familie Russland verlassen und lebt in der Schweiz.