„It’s astounding / Time is fleeting/ Madness takes its toll…“ Ja, die Jahre fliegen wahrhaftig dahin, wie es im Song „Time Warp“ in der „Rocky Horror Show“ zutreffend heißt. Aber der Wahnsinn, den das Kultmusical zelebriert, hat zum Glück anders als im Song nichts von seiner ursprünglichen Faszination eingebüßt. Das zeigte eindrucksvoll die Premierenveranstaltung, die das Stück am 04.02.2015 im Berliner Admiralspalast hatte.
Inspiriert von zweitklassigen Horrorfilmen der 50er und 60er Jahre der Art, wie sie vor Beginn der Show über einen kleinen Bildschirm hoch über der Bühne flimmern und von denen Magenta im Prolog und Epilog singt, plündert die „Rocky Horror Show“ ungeniert sämtliche Klischees des Genres und wirkt dabei selbst wie ein auf die Bühne gestelltes B-Movie, bei dem die Protagonisten mit großem ernsthaften Spiel die Banalität des Plots überkompensieren. Die Geschichte ist simple und schräg zugleich: Den biederen Brad und seine keusche Verlobte Janet verschlägt es in einer stürmischen und regnerischen Nacht nach einer Autopanne in ein düsteres Schloss, wo sie um Hilfe bitten wollen und bereits von dem Schlossherrn, Dr. Frank ‚n‘ Furter, einem exzentrischen außerirdischen Transvestiten, und dessen schrillen Entourage hämisch empfangen werden. Im Schloss werden Brad und Janet in einen wahren Strudel alptraumhafter Erlebnisse und frivoler erotischer Verwirrungen hineingezogen, die beide in ihren moralischen Ansichten verändern und zu anderen Menschen machen werden.
Die Premierenveranstaltung im Berliner Admiralspalast überzeugte rundum mit einem souveränen Ensemble. Rob Fowler glänzte stimmlich wie auch schauspielerisch als außerirdischer Transvestit Dr. Frank `n` Furter. Schrill, böse, tuntig, exhibitionistisch, verführerisch, lasziv und kraftvoll bot Fowler einfach alles, was man von der sexuell ambivalenten Rolle des schillernden Schlossherrn erwarten kann. Dabei hatte er seine ihm willfährig ergebene Entourage mindestens ebenso fest im Griff wie das Berliner Publikum, das seine Gesangseinlagen und Auftritte stürmisch feierte. In Korsett und schwarzen Netzstrümpfen stolzierte Fowler auf Pumps über die Bühne – eine laszive Inkarnation und genussvolle Zelebrierung eines Andersseins jenseits aller gesellschaftlichen Konventionen, zu dem er im Song „Don’t dream it, be it!“ auffordert.
Doch auch die übrigen Darsteller, allen voran Stuart Mathew Price als Faktotum Riff Raff und Maria Franzén als dessen Schwester Magenta, wie auch Harriet Bunton als Janet und David Ribi als Brad wurden zu Recht vom Publikum gefeiert.
Auch das Bühnenbild, die opulente Lichttechnik und der satte, von einer exzellenten Band gespielte Rocksound stimmten.
Dass die „Rocky Horror Show“ einfach keine Alterspatina ansetzt, zeigte sich auch an dem vielfach im Stil der Protagonisten kostümierten Premierenpublikum, das seine große Begeisterung durch das Werfen von Klopapierrollen, Klappern mit Rasseln und lautem Mitsingen und Mitstöhnen Ausdruck verlieh. Am Ende dieser zweistündigen rasanten, geistreichen, Ohr und Auge gleichermaßen verwöhnenden höchst unterhaltsamen Veranstaltung blieben auch nach über 40 Jahren freilich einige Geheimnisse ungelöst.
Wird es jemals aufhören zu regnen? Wann wird es endlich wieder Tag? Werden Brad und Janet trotz ihrer erotischen Verirrungen heiraten? Wann wird der verdammte Autoreifen endlich geflickt? Und warum um alles in der Welt wurden nicht noch mehr Vorstellungen im Berliner Admiralspalast für diese großartige Show angesetzt?
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Foto: ©Jens Hauer