Robert Plant – CARRY FIRE // Albumkritik

Achtung – dieses Album ist so heiß, dass man sich leicht die Finger daran verbrennen kann. CARRY FIRE heißt das 11. Solo-Studioalbum von Robert Plant, mit dem der Ex-Frontmann der legendären britischen Rockband Led Zeppelin stilistisch nahtlos an sein erfolgreiches Vorgängerwerk „Lullaby and …The Ceaseless Roar“ anknüpft. Unterstützt wird er dabei erneut von den hochtalentierten Multiinstrumentalisten The Sensational Space Shifters, die an zehn der elf Titel des Albums mitgeschrieben haben.

Auf seine alten Tage wird der 69jährige Brite hier sogar noch politisch. In „Bones of Saints“ etwa, einem rhythmisch treibenden Folkrocksong wettert er gegen die unsägliche Waffen- und Rüstungsindustrie („Who buys the bullets? Who sells the guns?“) Und man muss den Text des sperrig betitelten Songs „Carving up world again … A Wall and not a Fence“ nicht unbedingt kennen, um zu wissen, dass er über die Mächtigen der Welt und ihre fadenscheinige Legitimation schimpft („Emperors and sultans, kings and presidents/Dictators and ambassadors in our defense“).

Glücklicherweise treibt Plant seine Politikkritik jedoch nicht zu weit, und die Mehrzahl der Songs bleibt konzeptionell der Attitüde des altersweisen reifen Liebenden und spirituellen Gurus verhaftet. Im titelgebenden Stück heißt es: „I carry fire for you/Here in my naked hands/I bare my heart to you“, Zeilen, die ebenso gut von einem inbrünstig Liebenden wie von einem mystisch-charismatischen Führer stammen könnten. Dagegen besteht im sinnlichen „Dance with you tonight“ kaum ein Zweifel, dass es sich um einen Liebhaber handelt, der schon bald den Laufpass erhält, wenn Plant zu einem langsam treibenden Beat stöhnt: „Come, come, come on and dance with me, make me feel alright“.

Musikalisch verbindet CARRY FIRE elektronisch angereicherte bluesige Riffs, wie man sie von den großen Alben von Led Zeppelin kannte, mit keltischem Folk, Americana und afrikanisch-arabischen Traditionen. Was diesen disparaten und fragilen Stilmix mühelos zu einem stimmigen Ganzen zusammenfügt, ist Plants subtile Stimme, die ohne sich jemals zu den höchsten Tonlagen zu erheben, nichts von ihrer Ausdrucksstärke verloren hat, sondern den Zuhörer mit ihrem im heiseren Flüsterton vorgetragenen Schamanengesang nach wie vor in den Bann zieht. Lediglich das jammervolle Wehklagen am Ende des Songs „Bones of Saints“ erinnert noch an die frühen testosteronreichen gesanglichen Triumphe, die Plant einst bei Led Zeppelin feierte.

Dass Robert Plant auch nach der Auflösung von Led Zeppelin die kreative Kraft haben würde, eine solch inspirierende, genre-übergreifende Musik bis heute zu produzieren, hat wohl kaum jemand für möglich gehalten. Während Ex-Partner Jimmy Page sich darauf beschränkt, den Katalog von Led Zeppelin zu remastern – was ihm glänzend gelungen ist – setzt Plant seinen innovativen Pfad fort, den er bereits vor Jahren einschlug,  und läuft mit CARRY FIRE erneut zur Höchstform auf.

Robert Plant „Carry Fire“

VÖ: 13.10.2017
CD, 2LP und Download/Digital
Nonesuch Records / Warner Music

Standardbild
Hans Kaltwasser
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