North Bath – eine kleine Stadt im New Yorker Hinterland wird es nicht mehr geben, denn sie soll in den wohlhabenden Nachbarort Schuyler Springs eingemeindet werden. Das genau in der Mitte liegende Hotel „Sans Souci“ steht seit langem leer. Es soll entweder neu eröffnet oder abgerissen werden. Als ein Ort ohne Sorgen hätte es bei einigen Protagonisten des Romans „Von guten Eltern“ des Schriftstellers Richard Russo dazu beitragen können, sorgenfreier zu leben. Es könnte Besucher*innen in den Diner und die kleinen Lokale bringen. Doch stattdessen beherbergt es eine Leiche. Das ruft Doug Raymer auf den Plan, der zwar nicht mehr Polizeichef von North Bath ist, das es ohnehin nicht mehr gibt. Doch sein treuer Mitarbeiter Miller hat sich noch immer nicht daran gewöhnen können, dass nun die Freundin Dougs Charice Polizeichefin von Schuyler Springs ist. Sie ist die erste schwarze Frau auf diesem Posten.
Peter Sullivan ist nach dem Tod seines Vaters Sully wieder zurück, da er sein Erbe, das Haus seines Vaters als auch das seiner Mutter renovieren will. Damit verbindet er die Hoffnung, zumindest eines mit Gewinn zu verkaufen und der Stadt endgültig den Rücken zu kehren. Doch das Schicksal hat natürlich andere Pläne. Als einer von Peters Söhnen, die jedoch bei ihrer Mutter aufgewachsen sind, in North Bath auftaucht, ist Peter gezwungen, darüber nachzudenken, ob er nicht doch als Vater versagt hat und wie sehr sein Leben dem seines Vaters zu ähneln beginnt.
Der tote Sully ist für Rub immer noch präsent. Er gab dem etwas stotternden und lebensuntüchtigen Mann Unterstützung und Aufmerksamkeit. Und wenn Rub, der sich nun auf sich alleine gestellt sieht, nicht weiter weiß, stellt er sich gerne vor, was Sully ihm antworten würde. Und dabei fallen ihm dessen Phrase als erstes ein: Probiere es einfach und wenn es nicht klappt, probiere etwas anderes.
Ruth, die lange Zeit die Geliebte Sullys war, weiß, dass er wohl der letzte Mann in ihrem Leben gewesen ist und etwas anderes zu probieren, schließt sie aus. Ihre Sorge gilt der Tochter Janey, die sich immer mit den falschen Männern einlässt und ihr nicht nur äußerlich ähnelt. Sehr zum Missfallen Janeys, die ihrerseits keinen Zugang zu ihrer Tochter Tina findet. Wie gelingt es den drei Frauen wieder als Familie zusammenzufinden?
Charice kämpft nicht nur als Polizeichefin um Respekt, sondern sieht sich auch verantwortlich für ihren Bruder Jerome, der nach Jahren in North Carolina wieder in die Stadt zurückgekehrt ist. Er hat sein Äußeres verändert. Seine James Bond Attitüde ist verschwunden und damit sein „Gefieder“ abgelegt, welches ihn so überaus attraktiv für weiße Frauen macht. Denn was passiert mit einem Kind, das von einem Schwarzen und einer Weißen stammt?
Das Rätsel um die Identität des Selbstmörders beschäftigt dagegen Doug Raymer bis zum Ende des Romans, wenn er den Fall schließlich gelöst hat. Wäre die Tragödie zu verhindern gewesen, falls er sich mehr um den jetzt Toten gekümmert hätte?
Wie fühlen sich die Einwohner einer Kleinstadt in den USA? Der Roman des Schriftstellers Richard Russo erzählt davon und stellt ganz normale Menschen in den Fokus, die an sich verzweifeln, die ihre Sorgen und Probleme als Eltern haben und denen es bisweilen gelingt, doch noch die Kurve zu kriegen.
Der große Einfallsreichtum bei der Erfindung seiner Romanfiguren, die humorvollen und feinsinnigen Dialoge, das tiefgehende Verständnis des Autors für menschliche Schwächen und Stärken, seine Sympathie für Menschen der Arbeiterklasse und nicht zuletzt seine brillante Erzählweise machen den Roman „Von guten Eltern“ zu einem herzerwärmenden und unvergesslichen Leseerlebnis.
Richard Russo – Von Guten Eltern
Bibliografie
Seiten: 576
Erscheinungstag:
15.05.2024
ISBN: 978-3-7558-1002-5
Verlag: Dumont