Ein Jahr lang und ein ganzes Leben hat sich Reinhard Mey nach eigenen Angaben Zeit gelassen für sein 40. Studioalbum DAS HAUS AN DER AMPEL, das zwei CDs umfasst. Die erste CD mit der Bezeichnung „Das Album“ wurde mit einer Handvoll Musikern aufgenommen, die der Berliner seit Jahren kennt und schätzt. Die Instrumentierung ist dezent, neben Meys mit wunderbar fließendem Finger-Picking gespielten Gitarre sind weitere Gitarren sowie Keyboards, Schlagzeug und gelegentlich sanfte Streicher zu hören, mit denen die Balladen unterlegt sind. Bei der zweiten CD, die den Titel „Skizzenbuch“ trägt, handelt es sich um dieselben Songs, bei denen sich allerdings diesmal der Berliner Barde allein auf der Gitarre begleitet: Reinhard Mey unplugged, so wie ihn seine Fans in unzähligen Konzerten erlebt haben.
Die Stimme des 77-jährigen Liedermacher ist brüchiger geworden; wie sollte es anders auch sein. Das tut der schlichten Schönheit der Lieder allerdings keinen Abbruch, verstärkt im Gegenteil ihren melancholischen, sentimentalen Charme nur. Der Liedermacher ist auch hier seinem Grundton treu geblieben, hat sich die Wertschätzung für einfachen Dinge des Lebens bewahrt, die sich gelegentlich mit einer Dosis milder Ironie paart. Und Mey ist persönlicher geworden; er lässt seine Zuhörer in seine glücklichen wie auch traurigen Erinnerungen blicken.
Die Liedtexte spiegeln nach wie vor die große Handwerkkunst, die Meys Lyrik seit den frühen Anfängen seiner Karriere auszeichnet. Im titelgebenden Lied „Das Haus an der Ampel“ erzählt er liebevoll von den Erinnerungen an sein Elternhaus. Der Song „Im Hotel zum ewigen Gang der Gezeiten“ ist eine düstere, melancholische Metapher auf den Gang des Lebens, der unweigerlich mit dem Tod endet. „Die Saaltür schwingt auf, die Saaltür schwingt zu. Und ein Luftzug raunt leise: Der nächste bist du“, heißt es am Schluss des Songs. Das Lied „Gerhard und Frank“ thematisiert die Sterbehilfe.
Doch auch das Lustige, Komische, das in den Liedern Meys von jeher seinen Platz hatte, fehlen in dieser breit gefächerten Rückschau des Liedermachers auf sein Leben nicht. So warnt er den Zuhörer „Häng dein Herz nicht an einen Hund“, während „Ich liebe es, unter Menschen zu sein“ mit einem Augenzwinkern von allerlei alltäglichen Zumutungen handelt, die uns gelegentlich auf die Palme bringen.
Neben dem mit einem hochwertigen 28-seitigen Booklet ausgestatteten Doppelalbum gibt es DAS HAUS AN DER AMPEL auch als limitierte Edition im prächtigen Buchformat mit hunderten von Fotos aus dem Privatarchiv von Mey.
Künstler: Reinhard Mey „Das Haus an der Ampel“ (Album)
VÖ: 29. Mai 2020
Label: Odeon/Universal Music
Titelbild: Cover