Puder – Tomorrowland mit Freunden

Wenn die Hamburger Musikerin Catharina Boutari, die sich auf der Bühne Puder nennt, ein Album macht, dann geht sie nicht in ein Aufnahmestudio, steht nicht alleine vor dem Mikro, um einen Song nach dem anderen herunter zu singen. Nein, die Vollblutmusikerin macht das ganz anders. Schon die vorherigen Puder- Sessions katapultieren sie raus aus dieser Komfortzone und kopfüber in ein Experiment. Musik zu machen, heißt für sie, ohne Netz und doppelten Boden zu arbeiten – so auch bei ihrem neuen Album „Tomorrowland mit Freunden.“

Boutari ist stets voller musikalischer Ideen. Doch Musik ist für sie ein Prozess, Pop kein analytisch durchdachtes Endprodukt, sondern ein Ausschnitt aus unserer Existenz. Und vergangene Kooperationen sind unter anderen Vorzeichen wiederholbar. Deswegen ist der Teil des neuen Albums, Session Tapes #4, zusammen mit Riad Abdel Nabi vom Van Sonic Soundcollective im ehrwürdigen Studio 150 in Amsterdam entstanden. Mit dem Multiinstrumentalisten und Filmkomponisten hat sie vor zwanzig Jahren mehrere Jahre gemeinsam in verschiedenen Bands gespielt. Beide betreten eine Gegenwart, die es vielleicht gar nicht mehr gibt, als Erinnerung aber lebendig geblieben ist. Die das Gehirn verzerrt oder in anderen Formaten übrig gelassen hat. Verwandelt in Vier-Song-Zyklen, nehmen sie die Zuhörer*innen auf eine Reise zu noch lebendigen Straßenzügen von Damaskus und Kairo, übers Meer bis nach bis Amsterdam und Hamburg mit.

Im August folgte dann mit Session #5 quasi ein Session Tapes Special im traditionsreichen Hamburger Liveclub Logo. SparringspartnerInnen waren der Gitarrist und Sänger Ben Schadow (Rhonda, Dirk Darmstaedter, Bernd Begemann), die Jazz-Sängerin Ulita Knaus sowie die Sängerin und Schauspielerin Katrin Ost (August, August). Der Musikclub wurde zum temporären Zuhause, in dem tagsüber geprobt und abends gespielt wurde. Am vorletzten Tag fanden die Liveaufnahmen mit Publikum im Club statt. Entstanden sind sieben weitere Songs, die in der Realität verankert sind und in eine bessere Idee von Zukunft blicken.

Wenn der erste Song „Streets“ beginnt, hört man zunächst einen Luftzug, der von einem volltönenden, orientalisch klingenden Cello übernommen wird, bis schließlich der Gesang einsetzt. Ein sehr atmosphärisches, klangstarkes Stück. „Flugverbot“, etwas, was wir jetzt real erleben, ist ein weicher, harmonischer Popsong – toll gesungen und mit jazzigen Untertönen – „Precious“ ein raffiniertes Soulstück, das sich sogleich ohrwurmartig ins Gehör schraubt.

Puder – Tomorrowland mit Freunden“ besticht durch tolle, orientalisch angehauchte Melodien, Freejazz-Elemente, funkigen Grooves und Geräuschkulissen. Ein Album, das sehr viel musikalische Kreativität und Spielfreude ausstrahlt, klangstark, tanzbar und sehr hörenswert ist.

Puder – Tomorrowland mit Freunden

VÖ 15. Mai 2020
Format: Album (LP / CD / Digital)
Laufzeit: 38 Minuten, 11 Lieder
Label: Pussy Empire Recordings (LC 12008)

Foto: Inga Seevers

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Ingrid
Kunst und Kultur, Musik und Bücher, ohne sie ist ein Leben denkbar, aber für mich sinnlos. Darum habe ich diesen Blog ins Leben gerufen. Es macht viel Spaß, ihn zu gestalten - ich hoffe, den Usern, ihn zu lesen. Nicht alles, was gedruckt wird, muss gelesen, nicht jedes Album gehört werden. Was die User hier finden, gefällt mir und den Gastautoren, die ab und zu Lust haben, etwas zu schreiben.
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