Wahrscheinlich hat Joep Beving selbst nicht so recht an seinen Riesenerfolg geglaubt. Denn die Aussichten für eine Karriere als Pianist standen gar nicht so gut. Das lag weniger am fehlenden Talent, denn davon besitzt Joep Beving jede Menge. Vielmehr zwang eine Verletzung des Handgelenks ihn, sein Klavierstudium aufzugeben. Stattdessen – gegensätzlicher kann ein Studium nicht sein – studierte er Wirtschaftswissenschaft. Doch die Anziehungskraft der Musik war weiterhin da. Ein Kompromiss zwischen den beiden gegensätzlichen Wegen musste her, der sich aber nicht richtig anfühlte. Beving arbeitet bei einer Firma, in der er Musik für Produktwerbung schuf.
„Aber ich hegte immer eine Hassliebe für die Werbung – ich war nie glücklich damit, Musik zu benutzen, um den Menschen Dinge zu verkaufen, die sie nicht brauchen.“
Schließlich setzte er sein Talent als Keyboarder im erfolgreichen niederländischen Nu-Jazz-Ensemble „The Scallymatic Orchestra“ ein. Daneben spielte er seine Kompositionen seinen Freunden vor, die ihn begeistert ermunterten, seine Musik einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Joep schrieb also weitere Stücke und nahm sie in jeweils nur einem Take im Laufe der nächsten drei Monate in seiner Küche auf. Sein erstes Album „Solipsism“ war geboren. Da das einzige kontaktierte Schallplattenlabel ablehnte, bezahlte er die Herstellung von 1500 Vinylplatten aus eigener Tasche
Prehension – Ergebnis einer großartigen Partnerschaft
Doch Glück muss der Mensch haben und das kam schließlich in Gestalt des Produzenten Christian Badzura von der Deutschen Grammophon daher, der Bevings Stücke nachts in einer Berliner Bar hörte. Ergebnisse dieser neuen Partnerschaft finden sich nun im neuen Album „Prehension“. Hier nimmt uns der Pianist und Komponist auf eine musikalische und philosophische Reise mit. Und in all seinen Stücken erschließt sich die Schönheit der Dinge, die wir manchmal vergessen in der Hektik unseres Alltags. Die Reduzierung auf das Wesentliche, macht das Schöne. Der Minimalismus seiner Musik ist gewollt : „Ich schreibe einfach, was mir schön erscheint, wobei ich viele Noten weglasse,“ sagt er.
Dem Stress entfliehen – bei dem Stück “ A heartfelt silence“ durchdringen die zarten und gefühlvollen Tastenklänge eine Stille, die zur Meditation und Ruhe einlädt. Aber auch beim Walzer „An Amalgamation Waltz “ verschmelzen die Töne des Dreivierteltakts zu einer Ruheoase.
Keines seiner Stücke hat etwas Aggressives oder Herausforderndes. Und wenn die 61 Minuten von „Prehension“ fast zu Ende sind, verabschiedet sich der Pianist mit „Every Ending is a New Beginning“ und man hört viel Melancholie und Hoffnung, der wundervolle Abschluss eines wunderbaren Albums.
Prehension
Joep Beving
CD (Album)
VÖ 07.04.2017, Deutsche Grammophon (DG) /Universal
Konzert
20.04.2017 Berlin, Volksbühne
Titelfoto: c) Rai Rezvani