Die Ausstellung Untold Stories ist die erste von Peter Lindbergh selbst kuratierte Werkschau. Der 1944 geborene und in Duisburg aufgewachsene Fotograf hat zwei Jahre an der Präsentation gearbeitet und diese unmittelbar vor seinem Tod Anfang September fertiggestellt. Lindberghs Zusammenstellung von 140 Arbeiten aus den frühen 1980er-Jahren bis in die Gegenwart ermöglicht einen eingehenden Blick auf sein umfangreiches Werk und lädt zum Entdecken vieler bislang unerzählter Geschichten ein.
Die Ausstellung ist Lindberghs persönliches Statement zu seinem Werk. „Als ich meine Fotos das erste Mal an der Wand im Ausstellungsmodell gesehen habe, habe ich mich erschreckt, aber auch positiv. Es war überwältigend, auf diese Art vor Augen geführt zu bekommen, wer ich bin.“, so Lindbergh im Juni 2019 in einem Interview, das für den Ausstellungskatalog geführt wurde.
Ein Großteil der Aufnahmen wurde noch nie gezeigt; andere sind von Zeitschriften wie Vogue, Harper’s Bazaar, Interview, Rolling Stone, W Magazine oder dem Wall Street Journal in Auftrag gegeben und veröffentlicht worden.
In Lindberghs Bildern steht das Interesse am Menschen im Vordergrund. Mit seinen Werken ist es ihm gelungen, den unmittelbaren Kontext von Modefotografie- und zeitgenössischer Kultur zu überschreiten und neu zu definieren. „Durch die Ausstellung ergab sich die Möglichkeit, ausführlicher über meine Fotos in einem anderen als dem Modekontext nachzudenken. Ziel der Präsentation ist es, die Fotos zu öffnen für andere Lesarten und Perspektiven.“, betonte Lindbergh im Gespräch. „Allerdings geht es mir nicht darum zu sagen, dass meine Bilder keine Modefotografie seien, denn das wäre auch falsch. Ich bestehe auf der Definition „Modefotografie“, weil für mich dieser Begriff nicht bedeutet, dass man Mode abbilden muss – die Fotografie ist viel größer als die Mode selbst, sie ist Bestandteil der Gegenwartskultur.“
Die Ausstellung besteht aus drei Teilen, wobei zwei großformatige Installationen den Rundgang rahmen und überraschende Perspektiven auf Lindberghs Schaffen eröffnen. Den Anfang macht die eigens für die Ausstellung entwickelte und aus Bluebacks bestehende monumentale Installation Manifest, die eine eindringliche Einführung in Lindberghs Idee von Modefotografie darstellt.
Für den Hauptteil der Präsentation hat Lindbergh die aus seiner Perspektive essenziellsten Werke seines langjährigen Werks arrangiert und mit ihnen experimentiert. In der Hängung legt Lindbergh immer wieder neue Geschichten frei, bleibt aber gleichzeitig seiner Sprache treu.
Emblematische sowie noch nie zuvor gezeigte Arbeiten werden paarweise oder in Gruppen gezeigt und ermöglichen neue Interpretationen.
Den Abschluss der Schau stellt die Filminstallation Testament (2014) dar, die eine fast unbekannte Seite des Schaffens des deutschen Fotografen offenlegt. Der durch einen Einwegspiegel aufgenommene Film zeigt eine stumme Auseinandersetzung zwischen Lindberghs Kamera und Elmer Carroll, ein in Florida zum Tode verurteilen Mörder. Carroll betrachtet 30 Minuten lang und ohne mimische Bewegung sein Spiegelbild.
Die zum ersten Mal gezeigte Installation ergänzt die Ausstellung um eine unerwartete Bedeutungsschicht und stößt eine Debatte um Themen an, die zentral für Peter Lindbergh waren: Introspektion, Ausdruck, Empathie und Freiheit.
Zur Ausstellung erscheint bei TASCHEN ein 320 Seiten umfassender Katalog mit Texten von Felix Krämer, Peter Lindbergh, Wim Wenders. Preis: 60 Euro
Peter Lindbergh: Untold Stories
im Kunstpalast, Düsseldorf vom 5. Februar bis 1. Juni 2020 zu sehen
Titelfoto: Peter Lindbergh
© Foto: Stefan Rappo