Penguin Cafe: A Matter of Life

Der Brite Arthur Jeffes, Gründer des britischen Ensembles Penguin Cafe, hat ein Problem, das wohl allen Söhnen berühmter Musiker gemeinsam ist: Er wird wohl immer mit seinem genialen und höchst originellen, allzu früh verstorbenen Vater Simon Jeffes verglichen werden, zumal er in dessen Fußstapfen treten will. Simon Jeffes hat mit seinem Penguin Cafe Orchestra eine der ungewöhnlichsten und wunderbarsten Musik der vergangenen fünfzig Jahre geschaffen, eine Art imaginären Folk, die Klassik, Einflüsse der Weltmusik mit repetitiven Mustern und einer vorhersehbaren schrägen Instrumentierung mutig mischte.

Diesem Musikstil fühlt sich auch Arthur Jeffes verpflichtet. Trotz der schwierigen Aufgabe, im Schatten des Erbes seines übergroßen Vaters zu arbeiten, hat Arthur Jeffes mit seiner eigenen Band Penguin Cafe seitdem eine erstaunlich steile Karriere hingelegt. 2012 hatte er sein Debütalbum A MATTER OF LIFE aufgenommen. Zehn Jahre später bringt das das britische Label Erased Tapes jetzt eine Jubiläumsausgabe mit einem aktualisierten Cover und einem neu aufgenommenen Titel heraus, die seit dem 29.4.22 als CD, auf Vinyl in den Läden und als Download erhältlich ist.

Alle Stücke auf  A MATTER OF LIFE …2021 stammen aus der Feder von Arthur Jeffes mit Ausnahme des mit Des Murphy gemeinsam komponierten „Two Beans Shaker“. „Harry Piers“, ein Lied, das Arthur Jeffes zum Gedenken an seinen verstorbenen Vater komponiert hat, ist der eigens für die Neufauflage eingespielte Track.

Das Album versammelt eine Handvoll exquisite Musiker, die vor allem aus dem Umfeld des Royal College of Music stammen, aber auch aus Mitgliedern von britischen Bands wie Suede und den Gorillaz bestehen. Die Instrumentierung ist denkbar vielfältig und umfasst Klaviere, Harmonium, Geigen, Bratschen, Ukulelen, tibetische Klangschalen und andere Instrumente, von denen man vielleicht noch nie gehört hat.

Viele der Stücke werden von einem betont schwerfälligen Klavier dominiert; dort, wo die „Penguins“ stärker experimentieren, sind sie zweifellos am besten.

„That, Not That“ ist ein Klavier- und Cello-Duett, das an die Filmmusik von Michael Nyman erinnert. Das Motiv von „From a Blue Temple“ klingt anfangs, als würde es aus „Wohl mir, dass ich Jesum habe – Jesus bleibet meine Freude“ von Johann Sebastian Bach klauen, verwandelt sich aber bald in eine schräg klingende Tonleiter, die in Dur aufsteigt, aber in Moll absteigt

Im atmosphärischen Latin-getränkten Stück „Pale Peach Jukebox“ gibt es mitreißende Cuatro-Arbeit (eine gitarrenähnliche Kastenhalslaute), „Two Beans Shaker“ gefällt durch sein beschwingtes Ukulele-Spiel und der Song „Landau“ brilliert durch eine feine Mischung aus Kathryn Tickell Northhumbrian Pipes und Klavier. Und „The Fox and the Leopard“ ist ein flottes englisches Folkstück, das zum Tanzen animiert. In den ersten 35 Sekunden klingt es dabei so, als wären alle Instrumente nicht ganz synchron zueinander, was aber nichts macht. Der Song „Telephone and Rubber Band“ des Penguin Café Orchestra aus dem Jahr 1981 war ähnlich schräg und gehört dennoch bis heute zu den populärsten Stücken der legendären Band.

Der Song „Coriolis“, mit dem das Album schließt, ist ein subtiles Duett zwischen Klavier und Violine. Die endgültige Version ist eine raffinierte Collage aus mehreren Takes, die Arthur Jeffes und der Violinist Oli Langford an einem regnerischen Tag im Studio fertigstellten. Das Lied suggeriert das träge Gefühl eines herbstlichen Regentages. Mit geschlossenen Augen assoziiert man unwillkürlich Jeffes‘ Klavierspiel visuell mit Regentropfen, die auf das Dach plätschern.

A MATTER OF LIFE … 2021 ist ein ruhiges Album mit reizvollen minimalistischen Strukturen und hübschen Harmonien, das zehn Jahre nach dem Erscheinen des Originals unschwer ein neues Publikum finden dürfte.

Standardbild
Hans Kaltwasser
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