Paul McCartney: Flowers in the Dirt (reissue)

Wahre Paul McCartney Fans wissen wahrscheinlich schon längst, welche Alben des Ex-Beatle später einmal die Kronjuwelen seines umfangreichen Gesamtwerks sein werden: „Flaming Pie“ und „Chaos And Creation In The Backyard“, vielleicht auch „Memory Amost Full. Ganz sicher jedoch sein achtes schönes Solo-Album „Flowers In The Dirt“, das 1989 in intensiver Zusammenarbeit mit dem britischen Musiker Elvis Costello entstand. Immerhin an einem guten Drittel der Songs war Costello hier als Ko-Autor beteiligt: „My Brave Face“, „You Want Her Too“, „Don’t Be Careless Love“ und „That Day Is Done“ sind Stücke, die auch aus seiner Feder stammten. Vergangenen Freitag wurde „Flowers in the Dirt“ neu gemastert und in verschiedenen Formaten wieder veröffentlicht. Die zwei Audio-CDs umfassende Standard-Edition, die dem DER KULTUR BLOG zur Besprechung vorlag, enthält neben dem neu abgemischten Originalalbum auch neun Demos bislang unveröffentlichter Aufnahmen, die McCartney und Costello gemeinsam geschrieben und eingespielt haben.

Die Beatles dauerten nur sieben Jahre. McCartneys Solo-Karriere bewegt sich mittlerweile seit über 47 Jahren auf recht hohem Niveau. Seine ersten fünf Alben von „McCartney“ und „Ram“ bis hin zu „Band on the Run“ haben die Zeiten überdauert und gelten heute als Klassiker. Doch McCartney hat neben originellen und bedeutenden Alben wie den „Fireman“- CDs eben gelegentlich auch belanglosen Kitsch produziert wie z.B. „Silly Love Songs“. Vielleicht trat Costello deshalb genau zum richtigen Zeitpunkt in sein Leben. Zwar steckte der Ex-Beatle 1989 nicht gerade in einer finanziellen Krise, aber er hat wohl die drohende künstlerische Schmach gespürt, die zum Greifen nahe war. „Press To Play“, sein Album aus dem Jahre 1986, war nicht gerade ein Erfolg. George Harrison, der Jüngste der Fab Four, den McCartney zu den Beatles gebracht hatte, stach ihn 1987 mit „Cloud Nine“ aus, einem Album, das den Nr. 1 Hit „Got My Mind Set On You“ und den nicht ganz so erfolgreichen Titel „When We Was Fab“ enthielt –  eine liebevolle Verbeugung vor seiner Zeit als Beatle, die wunderbar zu der damals aufkommenden Nostalgiewelle anlässlich des 20jährigen Jubiläums des Meisterwerks der Beatles „Sgt. Pepper‘s Lonely Hearts Club Band“ passte.

McCartney und Costello

Die Zusammenarbeit McCartneys mit Costello erwies sich jedenfalls als sehr fruchtbar. Dessen Neigung zu hintersinnigen Wortspielen und Sarkasmus, die an den 1980 ermordeten John Lennon erinnert, mögen McCartney inspiriert haben. McCartneys Begabung wiederum, schöne eingängige Melodien zu schreiben, haben Costellos Kompositionen eine Leichtigkeit und Struktur gegeben, die dessen eigenen Songs oft vermissen lassen. Costello hat in diesem Team gewiss nicht den Part von Lennon gespielt, aber seine Ruppigkeit und Lässigkeit haben doch für das kompositorische Gegengewicht gesorgt, das McCartney damals offenbar brauchte und haben wollte.

Das remasterte Album „Flowers in the Dirt“ schafft es, den ohnehin guten Klang des Originals noch um einige Nuancen zu verbessern.  Das homogene Klangbild wirkt wie aus einem Guss, ohne Details zu verschleiern. Bässe klingen straffer, Gitarren körperhafter. Das kurze Solo auf der Akustikgitarre im Opener „My Brave Face“ ist plastisch und steht mitten im Raum. Schlagzeug und Funk-Gitarre im Song „Rough Ride“ kommen ungemein knackig rüber. Beim Song „Distractions“ glaubt man gar, die Musiker auf einer breiten Bühne im Wohnzimmer zu hören.

Doch das eigentlich Spannende und Wichtige an dieser Wiederveröffentlichung sind zweifelsohne die auf der zweiten CD enthaltenen Demoaufnahmen, die McCartney mit Costello gemeinsam geschrieben und eingespielt hat und die erahnen lassen, „Flowers in the Dirt“ hätte ein Album ganz anderer Art werden können. Alle neun bereits im Herbst 1987 aufgenommenen Songs sind ungeschliffene Juwelen und bersten vor schierer Energie. Die Gitarrenarbeit ist sparsam, die Gesangsstimmen klingen ein wenig nach den Everly Brothers. Insgesamt sind die Songs lebendiger und geschlossener als das spätere Album. Manche von ihnen erschienen auf späteren Alben der beiden Musiker. „So Like Candy“ ist das Herzstück von Costellos 1991 veröffentlichtem Album „Mighty Like A Rose“. „The Lovers That Never Were“ nimmt einen ähnlichen Platz auf McCartneys „Off The Ground“ aus dem Jahre 1993 ein.

Wenn man sich diese Stücke anhört, fragt man sich unwillkürlich, warum McCartney und Costello nicht den Mut hatten, ein echtes Duett-Album aus ihrem umfangreichen Material zu machen wie das Album „Painted From Memory“, das Costello Jahre später mit Burt Bacharach produziert hat. Oder lag es an McCartneys Ego, das den Namen eines Ko-Autors bei aller Bewunderung für ihn nicht auf dem Cover dulden wollte? Immerhin war es sein Album. Gut vorstellbar jedenfalls, dass „Flowers In The Dirt“ auch mit „My Brave Face“ und „Veronica“ hätte eröffnen können, den jeweils größten Hits der beiden Musiker aus den 1980er Jahren. Schade eigentlich, dass McCartney und Costello sich stattdessen dafür entschieden, den ursprünglichen Plan einer begrenzten Kooperation nicht zu ändern. So wird „Flowers in the Dirt“ gewiss als tolles Album in Erinnerung bleiben, aber vielleicht auch als das Album von zwei Pop-Ikonen „…that never was“.

Website: https://www.paulmccartney.com/

Flowers in the Dirt (reissue)
Paul Mc Cartney

Label: Universal Music

Standardbild
Hans Kaltwasser
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